Klage einer Kindesmutter auf Haftung eines familiengerichtlichen Sachverständigen erfolglos
LG Saarbrücken v. 5.6.2025 - 9 O 229/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat den Beklagten wegen dessen Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger in einem Familienverfahren in Anspruch genommen.
Die Klägerin und ihr früherer Ehemann stritten vor einem saarländischen Familiengericht über den Umgang des Ehemannes mit den beiden gemeinsamen Kindern. Das Familiengericht beauftragte den Beklagten mit der Begutachtung zur Frage, wie zukünftig der Umgang des Kindesvaters mit den Kindern gestaltet werden kann. In der Folge wurde der Beklagte durch das Familiengericht zur Vorbereitung einer Sitzung aufgefordert, das bisherige Ergebnis der Begutachtung vorab schriftlich zusammenzufassen. Der Beklagte legte daraufhin eine Sachstandsmitteilung zum bisherigen Verlauf der Begutachtung vor, in der er u.a. schilderte, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht abgeschätzt werden könne, ob und welche Art von psychischen Krankheitsgeschehen bei der Klägerin vorliegt. Aus sachverständiger Sicht fänden sich vielfältige Hinweise auf eine kindeswohlgefährdende Lebenssituation.
Auf entsprechenden Antrag des zuständigen Jugendamtes erließ das Familiengericht in der Folge einen Beschluss, mit dem der Klägerin und deren Ehemann das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und der Klägerin die Kontaktaufnahme zu den Kindern verboten wurde. Es wurde die Herausgabe der Kinder an einen Pfleger angeordnet. Das Familiengericht begründete seine Auffassung mit dringenden Anhaltspunkten, dass die kindeswohlgefährdende Lebenssituation von der Klägerin aufgrund einer psychischen Eigenproblematik herbeigeführt worden sei. Beide Kinder wurden aufgrund dieses Beschlusses in einer Wohngruppe untergebracht, wo sie mehrere Wochen blieben, bevor sie in den Haushalt des Vaters zogen. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Anordnungen des Familiengerichts wies das Saarländische OLG zurück. Die Begutachtung durch den Beklagten wurde im Hinblick auf dieses Beschwerdeverfahren unterbrochen.
In einem weiteren Termin vor dem Familiengericht schlossen die Klägerin und deren früherer Ehemann einen Vergleich, in dem sich die Klägerin mit einem zumindest vorläufigen Verbleib der Kinder beim Kindesvater einverstanden erklärte.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Schadensersatz in Höhe von ca. 15.600 € für ihr entstandene Sachverständigenkosten und für Aufwendungen verlangt, um den Kontakt zu den Kindern zu halten. Darüber hinaus hat sie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes geltend gemacht, das sie auf 75.000,- € beziffert hat.
Die Klägerin hat vorgebracht, der Beklagte habe behauptet, dass sie sich ab Kenntnis des Gutachtens umbringen würde, zumindest möglicherweise umbringen würde und die Kinder ebenfalls. Die Klägerin hat ferner behauptet, Opfer häuslicher Gewalt und häufig wiederkehrender Vergewaltigungen durch ihren früheren Ehemann geworden zu sein, was von dem Beklagten unbeachtet geblieben sei. Die Kinder seien durch den Beklagten, der sich manipulativ verhalte, in die Gefahr einer erheblichen psychischen Schädigung gebracht worden. Aufgrund der Begutachtung durch den Beklagten und der dadurch geschaffenen Tatsachen sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als einem zumindest vorläufigen Verbleib der Kinder beim Vater zuzustimmen, da ansonsten die Begutachtung fortgesetzt worden wäre. Die gutachterlichen Stellungnahmen des Beklagten hat die Klägerin als grotesk fehlerhaft bezeichnet, die Exploration des Beklagten als völlig indiskutabel.
Das LG vermochte dem nicht zu folgen und hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung zum OLG zu.
Die Gründe:
Zwar kommt eine Haftung nach § 839a BGB (Haftung des gerichtlichen Sachverständigen) auch dann in Betracht, wenn - wie hier - ein verfahrensabschließender Vergleich geschlossen wird. Allerdings hat die Klägerin zum einen ihre Pflichten aus § 839a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB verletzt, indem sie nicht einmal ein abschließendes Gutachten abgewartet hat, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre und sie hierauf hätte hinwirken können.
Zum anderen konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte einen erweiterten Suizid nicht als reale Gefahr dargestellt. Er hat vielmehr bekundet, er könne keine Diagnose stellen und nichts ausschließen.
Auch ist der Beschluss des Familiengerichts nicht auf die Gefahr eines erweiterten Suizids gestützt worden. Der Beklagte ist von dem Familiengericht im Übrigen lediglich mit einem Umgangsgutachten beauftragt worden und es hat keine abschließende Begutachtung stattgefunden. Die Bewertung ist eine vorläufige gewesen, was durch den Beklagten ebenso klargestellt wurde wie der Umstand, dass wichtige Grundlagen für eine Beurteilung mangels Erhebung fehlten.
Die von der Klägerin angesprochene Thematik der sexuellen Gewalt ist durch den Beklagten nicht negiert worden. Der Beklagte hat diese allerdings im Rahmen seiner vorläufigen Einschätzung weder als gegeben unterstellen noch von deren Unwahrheit ausgehen können.
Schließlich ist es auch keine grob fahrlässige Fehlbegutachtung, dass der Beklagte bei seiner vorläufigen Einschätzung von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen ist und bei der Klägerin eine psychische Problematik mit Krankheitswert für möglich gehalten hat. Denn diese Bewertung stützt sich u.a. auf Schilderungen von normalerweise verlässlichen Kontaktpersonen.
Eine grob fahrlässige Begutachtung scheidet daher aus, weil es sich nur um eine vorläufige Begutachtung handelte, dies auch ausdrücklich klargestellt wurde, wesentliche Untersuchungsschritte (noch) nicht vorgenommen worden waren, dies dezidiert offengelegt wurde und die vorläufige Einschätzung auch auf Berichte von normalerweise verlässlichen Kontaktpersonen gestützt wurde.
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OLG Saarbrücken PM vom 5.6.2025
Die Klägerin hat den Beklagten wegen dessen Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger in einem Familienverfahren in Anspruch genommen.
Die Klägerin und ihr früherer Ehemann stritten vor einem saarländischen Familiengericht über den Umgang des Ehemannes mit den beiden gemeinsamen Kindern. Das Familiengericht beauftragte den Beklagten mit der Begutachtung zur Frage, wie zukünftig der Umgang des Kindesvaters mit den Kindern gestaltet werden kann. In der Folge wurde der Beklagte durch das Familiengericht zur Vorbereitung einer Sitzung aufgefordert, das bisherige Ergebnis der Begutachtung vorab schriftlich zusammenzufassen. Der Beklagte legte daraufhin eine Sachstandsmitteilung zum bisherigen Verlauf der Begutachtung vor, in der er u.a. schilderte, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht abgeschätzt werden könne, ob und welche Art von psychischen Krankheitsgeschehen bei der Klägerin vorliegt. Aus sachverständiger Sicht fänden sich vielfältige Hinweise auf eine kindeswohlgefährdende Lebenssituation.
Auf entsprechenden Antrag des zuständigen Jugendamtes erließ das Familiengericht in der Folge einen Beschluss, mit dem der Klägerin und deren Ehemann das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und der Klägerin die Kontaktaufnahme zu den Kindern verboten wurde. Es wurde die Herausgabe der Kinder an einen Pfleger angeordnet. Das Familiengericht begründete seine Auffassung mit dringenden Anhaltspunkten, dass die kindeswohlgefährdende Lebenssituation von der Klägerin aufgrund einer psychischen Eigenproblematik herbeigeführt worden sei. Beide Kinder wurden aufgrund dieses Beschlusses in einer Wohngruppe untergebracht, wo sie mehrere Wochen blieben, bevor sie in den Haushalt des Vaters zogen. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Anordnungen des Familiengerichts wies das Saarländische OLG zurück. Die Begutachtung durch den Beklagten wurde im Hinblick auf dieses Beschwerdeverfahren unterbrochen.
In einem weiteren Termin vor dem Familiengericht schlossen die Klägerin und deren früherer Ehemann einen Vergleich, in dem sich die Klägerin mit einem zumindest vorläufigen Verbleib der Kinder beim Kindesvater einverstanden erklärte.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Schadensersatz in Höhe von ca. 15.600 € für ihr entstandene Sachverständigenkosten und für Aufwendungen verlangt, um den Kontakt zu den Kindern zu halten. Darüber hinaus hat sie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes geltend gemacht, das sie auf 75.000,- € beziffert hat.
Die Klägerin hat vorgebracht, der Beklagte habe behauptet, dass sie sich ab Kenntnis des Gutachtens umbringen würde, zumindest möglicherweise umbringen würde und die Kinder ebenfalls. Die Klägerin hat ferner behauptet, Opfer häuslicher Gewalt und häufig wiederkehrender Vergewaltigungen durch ihren früheren Ehemann geworden zu sein, was von dem Beklagten unbeachtet geblieben sei. Die Kinder seien durch den Beklagten, der sich manipulativ verhalte, in die Gefahr einer erheblichen psychischen Schädigung gebracht worden. Aufgrund der Begutachtung durch den Beklagten und der dadurch geschaffenen Tatsachen sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als einem zumindest vorläufigen Verbleib der Kinder beim Vater zuzustimmen, da ansonsten die Begutachtung fortgesetzt worden wäre. Die gutachterlichen Stellungnahmen des Beklagten hat die Klägerin als grotesk fehlerhaft bezeichnet, die Exploration des Beklagten als völlig indiskutabel.
Das LG vermochte dem nicht zu folgen und hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung zum OLG zu.
Die Gründe:
Zwar kommt eine Haftung nach § 839a BGB (Haftung des gerichtlichen Sachverständigen) auch dann in Betracht, wenn - wie hier - ein verfahrensabschließender Vergleich geschlossen wird. Allerdings hat die Klägerin zum einen ihre Pflichten aus § 839a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB verletzt, indem sie nicht einmal ein abschließendes Gutachten abgewartet hat, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre und sie hierauf hätte hinwirken können.
Zum anderen konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte einen erweiterten Suizid nicht als reale Gefahr dargestellt. Er hat vielmehr bekundet, er könne keine Diagnose stellen und nichts ausschließen.
Auch ist der Beschluss des Familiengerichts nicht auf die Gefahr eines erweiterten Suizids gestützt worden. Der Beklagte ist von dem Familiengericht im Übrigen lediglich mit einem Umgangsgutachten beauftragt worden und es hat keine abschließende Begutachtung stattgefunden. Die Bewertung ist eine vorläufige gewesen, was durch den Beklagten ebenso klargestellt wurde wie der Umstand, dass wichtige Grundlagen für eine Beurteilung mangels Erhebung fehlten.
Die von der Klägerin angesprochene Thematik der sexuellen Gewalt ist durch den Beklagten nicht negiert worden. Der Beklagte hat diese allerdings im Rahmen seiner vorläufigen Einschätzung weder als gegeben unterstellen noch von deren Unwahrheit ausgehen können.
Schließlich ist es auch keine grob fahrlässige Fehlbegutachtung, dass der Beklagte bei seiner vorläufigen Einschätzung von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen ist und bei der Klägerin eine psychische Problematik mit Krankheitswert für möglich gehalten hat. Denn diese Bewertung stützt sich u.a. auf Schilderungen von normalerweise verlässlichen Kontaktpersonen.
Eine grob fahrlässige Begutachtung scheidet daher aus, weil es sich nur um eine vorläufige Begutachtung handelte, dies auch ausdrücklich klargestellt wurde, wesentliche Untersuchungsschritte (noch) nicht vorgenommen worden waren, dies dezidiert offengelegt wurde und die vorläufige Einschätzung auch auf Berichte von normalerweise verlässlichen Kontaktpersonen gestützt wurde.
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