28.09.2022

Kündigung von Miet- oder Leasingvertrag in der Pandemie möglich: Keine Störung der Geschäftsgrundlage

Umsatzausfälle, die ein Vertragspartner wegen Personalausfalls durch die Corona-Pandemie erlitten hat, sind seinem Risikobereich zuzuordnen und rechtfertigen die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage nicht. Der Schuldner hat eine Nichtleistung gemäß § 286 Abs. 4 BGB zu vertreten, weil eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Das gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund.

OLG Stuttgart v. 13.9.2022 - 6 U 20/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte nach Kündigung eines Kfz-Leasingvertrages auf Herausgabe des überlassenen Fahrzeugs in Anspruch. Die Beklagte war mit den Leasingraten der Monate Februar und März 2021, deren Fälligkeit zum Monatsersten kalendermäßig bestimmt war, gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne vorherige Mahnung in Verzug geraten und befand sich auch noch im Zeitpunkt der Kündigung in Verzug.

Die Beklagte meint, die Kündigung sei unwirksam. Sie habe sich nicht in Verzug befunden, da mit der Pandemie eine Betriebsstörung aufgrund höherer Gewalt eingetreten sei, die sie nicht zu vertreten habe. Es liege darin eine Störung der Geschäftsgrundlage, die zur Anpassung des Vertrages führen müsse.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeugs. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Den Verzug ausschließende Einwendungen gegen das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit der vertraglichen Erfüllungsansprüche der Klägerin macht die Beklagte ohne Erfolg geltend. Eine Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die dem Kündigungsrecht der Klägerin entgegenstehen würde, scheidet aus. Das LG hat eine Störung der Geschäftsgrundlage zu Recht verneint.

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt wegen der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens eine Störung der sog. großen Geschäftsgrundlage in Betracht, die auf der Erwartung der vertragschließenden Parteien gründet, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde (BGH v. 12.1.2022 - XII ZR 8/21).

Soweit der BGH in der zitierten Entscheidung eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage angenommen hat, ist der Fall mit dem vorliegenden Sachverhalt aber nicht vergleichbar. Der BGH hatte über die Störung eines gewerblichen Mietvertrages über Geschäftsräume zu entscheiden, die aufgrund einer zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie behördlich angeordneten Betriebsschließung eingetreten war. Die Störung lag in diesem Fall darin, dass der vertragliche Leistungsaustausch durch die behördliche Anordnung unmittelbar tangiert war, weil der Mieter sein Geschäftslokal schließen musste und die Mietsache nicht wie vertraglich vorgesehen verwenden konnte. Das lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, denn die Beklagte war am vertragsgemäßen Gebrauch des Fahrzeugs nicht gehindert, vielmehr macht die Beklagte allgemeine pandemiebedingte Einnahmeverluste wegen Personalausfällen als Grund der Zahlungsschwierigkeiten geltend, die auf einer Störung ihrer betriebsinternen Abläufe beruhen und trotz der ungestörten Gebrauchsmöglichkeit der Mietsache eingetreten sind.

Deshalb sind die Umsatzausfälle, die die Beklagte nach ihrem Vortrag wegen Personalausfalls erlitten hat, ihrem Risikobereich zuzuordnen und rechtfertigen die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage nicht.

Das LG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Beklagte die Nichtleistung gemäß § 286 Abs.4 BGB zu vertreten hat, weil eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Das gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund (BGH v. 4.2.2015 - VIII ZR 175/14).

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Aufsatz:
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Rainer Burbulla, MDR 2022, 989

Rechtsprechung:
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