02.09.2022

Metallteil beschädigt Auto - Beweislastverteilung des StVG

Kein Ausschluss der Haftung nach § 17 Abs. 3 StVG, wenn offen bleibt, ob ein Kfz durch ein von einem vorausfahrenden Auto abgefallenen oder aufgewirbelten Metallteil beschädigt wurde. Steht fest, dass der Schaden kausal auf den Betrieb des vorausfahrenden Fahrzeugs zurückzuführen ist, muss der Geschädigte nicht die genaue Ursache beweisen.

LG Stuttgart v. 14.6.2022 - 12 O 270/21
Der Sachverhalt:
Der Zeuge K. war im November 2020 gegen 7.35 Uhr mit dem Porsche des Klägers, seinem Vater, auf der BAB 81 auf Höhe der Ausfahrt Zuffenhausen in Fahrtrichtung Heilbronn unterwegs. Der Zeuge C. befuhr zu dieser Zeit ebenfalls die BAB 81 mit einem Mercedes-Benz Vito, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war.

Der Kläger behauptete, ausgehend von dem auf der mittleren Spur vorausfahrenden Mercedes Vito sei ein etwa 10 bis 15 cm großes Metallteil abgefallen oder aufgewirbelt und unter Funkenflug an die linke vordere Schürze bzw. den Stoßfänger des Porsches geschleudert worden. Dadurch sei am Porsche ein Schaden von rund 6.000 € entstanden. Die Beklagte behauptete, das Metallteil stamme nicht vom Mercedes Vito und sei auch nicht durch den Zeugen C. aufgewirbelt worden. Jedenfalls sei ein eventuelles Aufwirbeln des Metallteils für den Zeugen C. unvermeidbar gewesen.

Das LG gab der Klage im vollen Umfang statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG, weil der Schaden beim Betrieb des Mercedes Vito entstanden und der Beklagten der Nachweis der Unvermeidbarkeit nicht gelungen ist. Für den Zeugen K. war dagegen der Schaden unvermeidbar gem. § 17 Abs. 3 StVG.

Der Schaden am Porsche ist durch den vorausfahrenden Mercedes Vito verursacht worden, weil unter diesem Fahrzeug das Metallteil hochwirbelnd hervorkam. Das ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen K. und den Feststellungen des Sachverständigen. Der Zeuge K. war auch glaubwürdig, weil er als Zahnarzt keine Veranlassung hatte, wegen eines verhältnismäßig geringen Betrages von rund 6.000 € einen aufwändigen Komplott mit seinem Vater zu schmieden, um einem unbeteiligten Verkehrsteilnehmer den Schaden an der Frontseite des Porsches "in die Schuhe zu schieben". Es ging für den Kläger in der Sache lediglich um die Selbstbeteiligung aus der Vollkaskoversicherung, sofern eine solche vorhanden sein sollte, und eine eventuelle Rückstufung beim Schadensfreiheitsrabatt. Das sind keine ausreichenden Gründe, um sich der Gefahr einer erfundenen Geschichte und einer falschen Verdächtigung eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmers auszusetzen.

Der Umstand, dass nicht aufgeklärt werden konnte, ob der Schaden durch ein Metallteil vom Mercedes Vito entstanden ist oder durch den Mercedes Vito lediglich aufgewirbelt wurde, führte nicht dazu, dass eine Haftung nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist. Zwar wird dies teilweise angenommen, weil es ansonsten zu einer Beweislastverschiebung zu Lasten des Schädigers kommen soll (AG Düsseldorf, Urt. v. 16.7.2012 - 41 C 3509/11; AG Bremen, Urt. v. 21.4.2009 - 4 C 14/09). Jedoch handelt es sich bei § 7 StVG um eine Gefährdungshaftung. Als Ausgleich dafür, dass durch das Betreiben eines Kfz eine Gefahrenquelle zu Lasten der anderen Verkehrsteilnehmer eröffnet wird, wird eine verschuldensunabhängige Haftung festgelegt. Die Haftung knüpft gerade nicht an ein besonders Verhalten an, sondern lediglich an das Eröffnen einer Gefahrenquelle. Es sollen alle durch ein Kfz beeinflussten Schäden erfasst werden. Vor diesem Hintergrund liegt die Beweislast für ein unabwendbares Ereignis, auch wenn die genaue Ursache nicht aufzuklären ist, beim Schädiger. Denn für eine Haftung gem. §§ 7, 17 StVG ist gerade ausreichend, dass der Schaden kausal auf dem Betrieb eines Kfz zurückgeführt werden kann. Eine andere Lösung würde der Beweislastverteilung des StVG widersprechen.

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