17.04.2018

Nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen Lichtimmissionen nur bei wesentlicher Beeinträchtigung

Ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen die nächtliche Beleuchtung benachbarter Gebäude besteht nicht, wenn durch die Lichtimmissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des eigenen Grundstücks vorliegt. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit können die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder -Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herangezogen werden.

OLG Karlsruhe 20.2.2018, 12 U 40/17

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer von ihr genutzten Wohnung, die sich nahe der Stadtkirche Sankt M befindet. Der Beklagte zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks S-Platz 3. Die Beklagte zu 2) (Kirchengemeinde) ist Eigentümerin der Stadtkirche und des Anwesens S-Platz 5. Seit Dezember 2015 wird der Kirchturm der Stadtkirche von dessen Sockel und von den Dächern der Anwesen S-Platz 3 und 5 aus ab Einsetzen der Dämmerung bis zum Anbruch des Tageslichts mit 23 LED-Scheinwerfern angestrahlt. Zudem ist die obere Balustrade des Turms mit umlaufenden LED-Leuchtleisten ausgestattet. Die Gesamtbeleuchtung führt zu einem Lichteinfall in die Wohnung der Klägerin.

Die Klägerin sieht sich durch den Lichteinfall beeinträchtigt und forderte daher die Beklagten auf, die Lichtanlage abzuschalten. Aufgrund dessen führte der Sachgebietsleiter Umweltschutz des Landratsamts in der Wohnung der Klägerin gegen 2:00 Uhr eine Immissionsmessung der Beleuchtungsstärke mit Hilfe eines Luxmeters durch. Dabei stellte er Werte zwischen 0,03 lx und 0,38 lx fest. Die Klägerin behauptet, dass ihre Schlaf- und Ruheräume nächtlich ununterbrochen ausgeleuchtet würden. Sie erfahre dadurch eine elementare Einschränkung ihrer Lebensqualität und körperlichen Unversehrtheit.

Die Klägerin beantragte daher, die Beklagten zu verurteilen, die Scheinwerfer- und Lichtanlagen abzustellen. Zudem verlangte sie ein Schmerzensgeld i.H.v. 2000 €. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erhob Beweis durch Einholung eines lichttechnischen Sachverständigengutachtens und wies die Klage ebenso als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Unterbindung des Betriebs der Lichtanlagen zur Beleuchtung des Kirchturms zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB, da die Klägerin nach den §§ 1004 Abs. 2, 906 Abs. 1 S. 1 BGB zur Duldung der durch die genannten Anlagen verursachten Lichtimmissionen verpflichtet ist. Gem. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB muss die Beeinträchtigung der Benutzung des eigenen Grundstücks wesentlich sein. Die Beurteilung der Wesentlichkeit richtet sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was diesem unter Berücksichtigung anderer öffentlicher und privater Interessen zuzumuten ist.

Im Streitfall hat das Sachverständigengutachten ergeben, dass die Lichteinwirkungen die Benutzung der Eigentumswohnung der Klägerin nur unwesentlich beeinträchtigen. Denn die in der Wohnung der Klägerin festzustellende Vertikalbeleuchtungsstärke erreicht nicht annähernd die Immissionsrichtwerte, die sich aus den LAI ergeben. Die Hinweise LAI dürfen als Entscheidungshilfe herangezogen werden. Sie geben eine Orientierung, auch wenn keinen normativen Charakter haben. Danach beträgt der in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Wohngebieten anzulegende Richtwert mittlerer Stärke 1 lx. Der in der Wohnung der Klägerin höchstgemessene Wert betrug hingegen nur 0,46 lx. Am Schlafzimmerfenster wurden sogar nur 0,04 lx gemessen. Eine darüber hinausgehende Blendwirkung kann nicht festgestellt werden. Die Lichtanlagen strahlen alle nicht in Richtung der Wohnung der Klägerin, sondern erhellen die Wand des Kirchturms. Von dem reflektierten Licht der Wände geht keine Blendwirkung aus. Eine besondere Beeinträchtigung durch die Farbe des Lichts liegt ebenso nicht vor.

Die Gesamtwürdigung aller Umstände, die die Lichtimmissionen im Streitfall charakterisieren, rechtfertigt in Anbetracht der Orientierungshilfe der LAI nicht die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Schutzbedürftigkeit des betroffenen Nachbarn im Einzelfall davon abhängen kann, ob und inwieweit er ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann. Bei Lichtimmissionen können innerhalb der Gebäude ohne Einbußen der Wohnqualität häufig Vorhänge Abhilfe schaffen. Dies ist auch hier der Fall.

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