Nachbarstreit um "morschen Jägerzaun" und wegen unterbliebener Abmahnung
LG Lübeck v. 12.2.2025 - 14 T 46/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind unmittelbare Grundstücksnachbarn. Mit Schreiben vom 4.8.2024 hatte die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger aufgefordert, den im Eigentum der Verfügungskläger stehenden "morschen Jägerzaun" zu entfernen, um im September 2024 einen neuen Zaun auf die Grundstücksgrenze setzen zu können. Mit Schreiben vom 6.8.2024 forderte die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger zu einer Stellungnahme bis 31.8.2024 auf.
Am 26.8.2024 haben die Verfügungskläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und im Wesentlichen beantragt, der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, es zu unterlassen, den auf der Grundstücksgrenze der Parteien befindlichen Jägerzaun zu beseitigen. Mit Schreiben vom 2.9.2024 hat die Verfügungsbeklagte erklärt, von dem Abbau des Jägerzaunes Abstand zu nehmen. Daraufhin haben die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das AG den Verfügungsklägern die Kosten des Verfahrens gem. § 91a Abs. 1 ZPO auferlegt. Es war der Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erklärt habe, von dem Abbau des Jägerzauns Abstand zu nehmen, und keinen Anlass zur Antragstellung gegeben habe. Das LG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dabei wird im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben (Althammer, in: Zöller ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91a Rn. 24). Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist jedoch auch der Rechtsgedanke einer fehlenden Klageveranlassung aus § 93 ZPO zu berücksichtigen. Dies soll vorschnelle Klagen und damit unnötige Prozesse vermeiden.
Fordert der Gläubiger von dem Schuldner ein Unterlassen, ist der Gläubiger regelmäßig gehalten, die andere Seite durch eine Abmahnung von der drohenden Handlung abzubringen. Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn es dem Gläubiger darauf ankommt, sich den besonderen Eilzweck und Überraschungseffekt des einstweiligen Verfügungsverfahrens zunutze zu machen oder wenn eine Abmahnung nicht erfolgversprechend ist, weil ein grober und vorsätzlicher Verstoß gegen Unterlassungspflichten vorliegt, wobei ein besonders schwerer Verstoß den Verzicht auf eine Abmahnung nur dann rechtfertigt, wenn eine Abmahnung wegen Eilbedürftigkeit unzumutbar ist und der laufend entstehende Schaden so groß ist, dass dem Gläubiger das Setzen einer auch nur kurzen Frist nicht zugemutet werden kann.
Gemessen daran hat die Verfügungsbeklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie hatte den Verfügungsklägern mit Schreiben vom 4.8.2024 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, im September 2024 einen neuen Zaun auf die Grundstücksgrenze zu setzen. Damit keine Kosten "für das ausbuddeln der morschen Pfähle" entstehen, sollten die Verfügungskläger den Zaun selbst beseitigen. Mit Schreiben vom 16.8.2024 hat die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger zu einer Stellungnahme hierauf bis 31.08.2024 aufgefordert. Eine solche ist jedoch ausgeblieben. Vielmehr haben die Verfügungskläger am 26.8.2024 mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung reagiert.
Damit haben die Verfügungskläger dem vorstehend beschriebenen Grundsatz zuwider die Verfügungsbeklagte nicht vor Einleitung des streitigen Verfahrens abgemahnt. Hinreichende Umstände, auf die Abmahnung im konkreten Fall zu verzichten, lagen nicht vor. Den Verfügungsklägern drohte auch kein zeitnaher großer Schaden, der eine Fristsetzung unzumutbar gemacht hätte. Vorangegangene Auseinandersetzungen zu anderen Streitgegenständen und das insgesamt belastete Nachbarschaftsverhältnis mögen für beide Seiten belastend sein, lassen jedoch nicht automatisch und mit Sicherheit darauf schließen, dass die Verfügungsbeklagte einer Aufforderung, den Zaun stehen zu lassen, nicht Folge geleistet hätte.
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Landesregierung Schleswig-Holstein
Die Parteien sind unmittelbare Grundstücksnachbarn. Mit Schreiben vom 4.8.2024 hatte die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger aufgefordert, den im Eigentum der Verfügungskläger stehenden "morschen Jägerzaun" zu entfernen, um im September 2024 einen neuen Zaun auf die Grundstücksgrenze setzen zu können. Mit Schreiben vom 6.8.2024 forderte die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger zu einer Stellungnahme bis 31.8.2024 auf.
Am 26.8.2024 haben die Verfügungskläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und im Wesentlichen beantragt, der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, es zu unterlassen, den auf der Grundstücksgrenze der Parteien befindlichen Jägerzaun zu beseitigen. Mit Schreiben vom 2.9.2024 hat die Verfügungsbeklagte erklärt, von dem Abbau des Jägerzaunes Abstand zu nehmen. Daraufhin haben die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das AG den Verfügungsklägern die Kosten des Verfahrens gem. § 91a Abs. 1 ZPO auferlegt. Es war der Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erklärt habe, von dem Abbau des Jägerzauns Abstand zu nehmen, und keinen Anlass zur Antragstellung gegeben habe. Das LG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dabei wird im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben (Althammer, in: Zöller ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91a Rn. 24). Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist jedoch auch der Rechtsgedanke einer fehlenden Klageveranlassung aus § 93 ZPO zu berücksichtigen. Dies soll vorschnelle Klagen und damit unnötige Prozesse vermeiden.
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Gemessen daran hat die Verfügungsbeklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie hatte den Verfügungsklägern mit Schreiben vom 4.8.2024 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, im September 2024 einen neuen Zaun auf die Grundstücksgrenze zu setzen. Damit keine Kosten "für das ausbuddeln der morschen Pfähle" entstehen, sollten die Verfügungskläger den Zaun selbst beseitigen. Mit Schreiben vom 16.8.2024 hat die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger zu einer Stellungnahme hierauf bis 31.08.2024 aufgefordert. Eine solche ist jedoch ausgeblieben. Vielmehr haben die Verfügungskläger am 26.8.2024 mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung reagiert.
Damit haben die Verfügungskläger dem vorstehend beschriebenen Grundsatz zuwider die Verfügungsbeklagte nicht vor Einleitung des streitigen Verfahrens abgemahnt. Hinreichende Umstände, auf die Abmahnung im konkreten Fall zu verzichten, lagen nicht vor. Den Verfügungsklägern drohte auch kein zeitnaher großer Schaden, der eine Fristsetzung unzumutbar gemacht hätte. Vorangegangene Auseinandersetzungen zu anderen Streitgegenständen und das insgesamt belastete Nachbarschaftsverhältnis mögen für beide Seiten belastend sein, lassen jedoch nicht automatisch und mit Sicherheit darauf schließen, dass die Verfügungsbeklagte einer Aufforderung, den Zaun stehen zu lassen, nicht Folge geleistet hätte.
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