05.03.2024

Pauschaler Verweis auf angespannte Lage am Wohnungsmarkt reicht zur Verlängerung der Räumungsfrist nicht aus

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verlängerung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 3 ZPO trägt der Mieter. Der pauschale tatrichterliche Verweis auf eine angeblich gerichtsbekannte Lage am Wohnungsmarkt reicht zur verfahrensfehlerfreien Begründung einer Verlängerung der Räumungsfrist nicht aus. Die bloße Einreichung von Bewerbungsunterlagen erbringt ohne Weiteres keinen hinreichenden Beweis dafür, dass sich der Mieter tatsächlich um Ersatzwohnraum bemüht hat.

LG Berlin v. 17.2.2024 - 67 T 108/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger bestritt die angegebenen Bemühungen des Beklagten um Ersatzwohnraum und auch dessen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Das AG ordnete aber eine Verlängerung der Räumungsfrist an, da der Berliner Wohnungsmarkt "gerichtsbekannt angespannt" sei. Zudem habe der Beklagte seine Bemühungen um Ersatzwohnraum "unter Vorlage von Unterlagen dargelegt".

Die Beschwerde des Klägers war erfolgreich. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Ein Anspruch auf Verlängerung einer gerichtlich gewährten Räumungsfrist kann gemäß § 721 Abs. 3 ZPO insbesondere dann bestehen, wenn die Suche nach Ersatzwohnraum während der gewährten Räumungsfrist - trotz hinreichender Bemühungen des Mieters - erfolgslos war (st. Rspr., vgl. nur LG Berlin v. 19.102023 - 67 T 79/23). Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht erfüllt.

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verlängerung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 3 ZPO trägt der Mieter. An die Beweisführung sind zwar keine für den Mieter unüberwindlichen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl sind die Gerichte verpflichtet, im Falle gegenläufigen Sachvortrags die zwischen den Parteien streitigen Tatsachen im Rahmen einer Beweiserhebung aufzuklären und dazu die angebotenen Beweise zu erheben und zu würdigen. Der bloße tatrichterliche Pauschalverweis auf eine angeblich gerichtsbekannte Lage am Wohnungsmarkt reicht dazu weder bei § 574 Abs. 2 BGB noch bei § 721 Abs. 3 ZPO aus (vgl. BGH v. 22.5.2019 - VIII ZR 180/18 (zu § 574 Abs. 2 BGB)). Diesen Grundsätzen genügt die angefochtene Entscheidung nicht.

Bei der neuerlich im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wird das AG den gesamten Vortrag des Klägers zu berücksichtigen und zu befinden haben, ob dem Beklagten bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der ursprünglichen Räumungsfrist unmöglich gewesen wäre. Dabei wird es zu klären haben, ob sich der Beklagte tatsächlich innerhalb der ursprünglich gewährten Räumungsfrist um Ersatzwohnraum beworben hat. Insoweit trägt der bisherige Verweis des AG auf angeblich eingereichte Unterlagen nicht. Denn der Beklagte hat überhaupt keine Unterlagen eingereicht. Es kommt hinzu, dass mit der bloßen Einreichung von Bewerbungsunterlagen durch den Mieter noch nicht der Beweis geführt wäre, dass den Unterlagen auch tatsächliche Bewerbungsbemühungen des Mieters zu Grunde liegen.

Mehr zum Thema:

Link zum Volltext der Entscheidung des LG Berlin

Rechtsprechung:
Härtefallprüfung im Räumungsverfahren
BGH vom 13.12.2022 - VIII ZR 96/22
Norbert Monschau, MietRB 2023, 65

Rechtsprechung:
Eigenbedarfskündigung: Vorliegen von Härtegründen
BGH vom 15.3.2022 - VIII ZR 81/20
Rainer Burbulla, MietRB 2022, 221

Kommentierung | BGB
1. Beschaffung von Ersatzwohnraum, § 574 Abs. 2 BGB
Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

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