09.07.2025

Räumungsfrist im Rahmen eines Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO

Kommt eine Berufungszurückweisung gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht, kann das Berufungsgericht eine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO nicht nur im Zurückweisungsbeschluss (als Endentscheidung) gewähren, sondern auch bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO.

OLG Celle v. 14.5.2025 - 24 U 8/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 28.2.2022 von dem 81-jährigen Beklagten eine Liegenschaft erworben, die dieser zunächst unentgeltlich weiternutzen durfte. Es wurde weder eine bestimmte Dauer noch ein Zweck der Gebrauchsüberlassung vereinbart. Später verlangte der Kläger die Räumung und Herausgabe der Wohnung nach Kündigung der Abrede über die unentgeltliche Nutzung der Liegenschaft. Der Beklagte weigerte sich.

Das LG hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Liegenschaften verurteilt. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe gemäß § 604 Abs. 3 BGB zu.

Zutreffend hat das LG die mündliche Vereinbarung der Parteien über die unentgeltliche Nutzung der Liegenschaften nach Veräußerung als Leihvertrag i.S.v. § 598 BGB bewertet, der unabhängig von der baurechtlichen Zulässigkeit der Nutzung wirksam blieb. Nach § 604 BGB endet der Leihvertrag mit der Folge einer Rückgabepflicht des Entleihers zunächst dann, wenn die für die Leihe bestimmte Zeit abgelaufen ist (Abs. 1) oder der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat oder hätte machen können (Abs. 2). Ist die Dauer weder bestimmt noch aus einem vereinbarten Zweck zu entnehmen, endet die Leihe mit der im Grundsatz jederzeit möglichen Rückforderung durch den Verleiher (Abs. 3). Im Herausgabeverlangen ist zugleich die Kündigung des Leihvertrages zu sehen.

Infolgedessen war der Kläger hier zur - in den Grenzen des § 242 BGB - jederzeitigen Rückforderung nach § 604 Abs. 3 BGB berechtigt, weil die Parteien weder eine bestimmte Dauer für die Leihe noch einen Zweck vereinbart hatten, aus dem sich die Dauer entnehmen lassen konnte. Zwar kann Rahmen eines formlos möglichen Leihvertrags als Zweck der Leihe vereinbart werden, dass Räume dem Entleiher unentgeltlich zur lebenslangen Nutzung überlassen werden. In einem solchen Fall schließt der in der lebenslangen Nutzung liegende Zweck eine ordentliche Kündigung nach § 604 Abs. 3 BGB zu Lebzeiten des Entleihers aus. Die Darlegungs- und Beweislast für einen vereinbarten Zweck, der die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit nach § 604 Abs. 3 BGB ausschließt, trägt allerdings der Entleiher. Und der Beklagte blieb hier den Beweis schuldig.

Die Gewährung einer Räumungsfrist beruht auf § 721 Abs. 1 ZPO. Nach § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht dem Schuldner bei der Verurteilung zur Räumung von Wohnraum auf Antrag oder von Amts wegen eine angemessene Räumungsfrist gewähren. Die Vorschrift ist nicht nur zugunsten des Mieters von Wohnraum anwendbar, sondern bei jeder Verurteilung zur Räumung von zu Wohnzwecken genutzten Räumen (BGH, Urt. v. 11.12.2020 - V ZR 26/20) und damit auch auf den vorliegenden Fall der unentgeltlichen Leihe. Kommt - wie hier -  eine Berufungszurückweisung gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht, kann das Berufungsgericht eine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO nicht nur im Zurückweisungsbeschluss (als Endentscheidung) gewähren, sondern auch bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO. Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist die Gewährung einer Räumungsfrist bis zum 31.8.2025 gerechtfertigt.

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