21.11.2024

Reduzierung des Leistungsumfangs stellt Mangel dar

Wird die Kapazität eines Energiespeichers per Fernwartung auf 70% der Maximalkapazität heruntergefahren, so liegt darin ein Mangel der Werkleistung bzw. Sache. Im Falle eines Kfz, das mit einer Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h angeboten wird, würde niemand einen Mangel anzweifeln, wenn das Fahrzeug nur höchstens auf 170 km/h beschleunigt werden kann.

LG Darmstadt v. 8.11.2024 - 19 O 73/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte Anfang 2022 von der Beklagten eine Photovoltaikanlage sowie einen Batterieheimspeicher zur Einspeicherung des erzeugten Solarstroms erworben. Die Herstellerin des Speichers ist die Nebenintervenientin. Die Inbetriebnahme erfolgte am 27.4.2022. In den ersten Monaten des Jahres 2022 kam es zu mehreren Bränden und Explosionen von Speichersystemen der Nebenintervenientin, die durch Kurzschlüsse der darin verwendeten Nickel-Cobalt-Lithium-Zellen ausgelöst wurden. Am 9.3.2022 deaktivierte die Nebenintervenientin deshalb ca. 66.000 der bundesweit betriebenen Speichersysteme mittels internetgesteuertem Wartungszugriff (sog. "geregelter Standby-Modus").

Ab Juni 2022 versetzte die Herstellerin die meisten Speicher wieder in Betrieb, nachdem sie diese im Rahmen eines Firmware-Updates mit einer Diagnosesoftware namens "SmartGuard" ausgestattet hatte, die die Speicherfunktionen überwachen und Defekte auf Zellebene vorbeugend erkennen können soll. Dies geschah auch mit dem Speicher des Klägers. Zwar wurde im Mai 2023 wieder die volle Ladekapazität mittels eines Software-Updates hergestellt, es kam dennoch zu weiteren Bränden von Speichern. Die Herstellerin versetzte daher erneut ausgewählte Speicher, darunter auch den streitgegenständlichen Speicher mittels internetgesteuerter Fernabschaltung in den sog. "Standby-Modus" bzw. in einen beschränkten Leistungsbetrieb. Infolgedessen wurde zunächst nur 50% und später nur 70% der Ladekapazität zur Verfügung gestellt.

Der Kläger behauptete, die Drosselung sei von der Produktsicherheitsbehörde auf Grundlage von § 6 Abs. 2 ProdSG angeordnet worden. Daher liege auch ein Produktfehler im streitgegenständlichen Speicher vor. Um den Speicher wieder sicher dauerhaft in Betrieb zu nehmen, müssten die Module mit den schadhaften Zellen durch neue Zellmodule ausgetauscht werden. Am 4.1.2024 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den bezahlten Kaufpreis gegen Rücknahme des Batteriespeichers Tagen zurück.

Das LG gab der Klage weitestgehend statt.

Die Gründe:
Der Kläger ist wirksam von dem den Speicher betreffenden Teil des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages zurückgetreten, §§ 631, 634 Nr. 3, 633, 323 ff. BGB.

Die Leistung der Beklagten ist mangelhaft i.S.d. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil der Speicher nur 70% seiner vereinbarten Leistung bringt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Beklagte behauptete, aus der Dokumentation ergäbe sich die 100%-Leistung nur als Maximalleistung. Im Falle eines Kfz, das mit einer Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h angeboten wird, würde niemand einen Mangel anzweifeln, wenn das Fahrzeug nur höchstens auf 170 km/h beschleunigt werden kann. Die Beklagte konnte auch mit ihrem Vortrag dazu, dass die Speicher technisch zwingend ein Brandrisiko mit sich brächten, nicht durchdringen. Denn das Brandrisiko war nicht der für die hiesige Entscheidung interessierende Mangel, sondern der Umstand, dass der Speicher auf 70% herabgeregelt worden war.

Dieser Mangel bestand auch bei Abnahme bereits. Der Kläger hatte die Anlage konkludent durch die Inbetriebnahme am 27.4.2022 abgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Reduktion der Speicherleistung bereits stattgefunden. Die gesetzte Frist von zwei Wochen war auch angemessen. Zur Nacherfüllung hätte es genügt, dem Kläger Speicher zur Verfügung zu stellen, die auch ohne das Herunterfahren der Speicherkapazität sicher betrieben werden können. Die zeitlichen Vorstellungen der Beklagten, wonach mit einer Frist von drei bis sechs Monaten zu arbeiten sei, war überzogen und grenzte schon an eine Unmöglichkeit der Nachbesserung, bei der der Kläger nicht einmal eine Frist hätte setzen müssen, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Allerdings muss der Kläger sich einen Nutzungsvorteil anrechnen lassen.

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