06.01.2025

Schadensersatz wegen Verletzung der Räumungs- und Rückgabepflicht grundsätzlich nur nach Fristsetzung

Schadensersatz wegen der Verletzung der Räumungs- und Rückgabepflicht steht dem Vermieter grundsätzlich nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 BGB zu, wobei regelmäßig erforderlich ist, dass dem Mieter eine Frist zur Erfüllung der Räumungs- und Rückgabepflicht gesetzt wurde. §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB enthalten für Leistungsstörungen im Mietvertrag eine spezielle und erschöpfende Regelung. § 548 BGB kann auch dann anwendbar sein, wenn der Vermieter anstelle des Mieters das Mietobjekt räumt.

LG Darmstadt v. 16.12.2024 - 18 O 6/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Lagerhallenkomplexes und einem Bürogebäude. Die Beklagte ist in der Besorgung von Lagergeschäften aller Art tätig und hatte im April 2014 die Lagerhalle Nr. 4 von der Klägerin angemietet. Ein kleiner Teil der Hallenfläche war an die Streithelferin A-GmbH, eine weitere Mieterin des Hallenkomplexes, vermietet. Zur Mietfläche der Beklagten gehörte auch ein kleiner Flächenanteil der Halle Nr. 5. Die Beklagte lagerte in der angemieteten Halle für verschiedene Kunden diverse Partien verpackter Lebensmittel und Zubehörartikel, einen Traktor, ein Motorrad, einen Gabelstapler und einen Hubwagen. Die Lagerung in der Halle erfolgte in festmontierten Regalen und auf einer größeren Freifläche. Der Wert der von der Beklagten eingelagerten Lebensmittel bzw. Güter betrug mind. 136.990 €.

Die Lagerhallen Nr. 5 und 6 waren an die Streithelferin A-GmbH vermietet. Darin wurden Elektroroller und Akkumulatoren gelagert und aufgeladen. In der Nacht vom 2.10. auf den 3.10.2020 kam es zu einem Großbrand, bei dem der Lagerinhalt in den Hallen Nr. 4, 5 und 6 vollständig verbrannte. Durch den Brand, der in der Lagerhalle Nr. 6 gebrochen war, wurde das Gebäude schwer beschädigt und war im Bereich der genannten Hallen einsturzgefährdet. Nach dem Brand musste ein Abbruch- und Entsorgungskonzept erarbeitet werden, wozu die Klägerin an ihre Gebäudeversicherung herantrat. Diese machte eine Beteiligungspflicht der Beklagten an den Kosten geltend.

Die Beklagte wies gegenüber der Versicherung darauf hin, dass nicht eingängig sei, warum sie verpflichtet sein sollte, sich an Entsorgungs-/Abbruchkosten zu beteiligen. Sie kündigte mit Schreiben vom 20.11.2020 das Mietverhältnis außerordentlich zum 2.10.2020. Die Klägerin erstellte am 10.3.2022 auf Basis einer Teilschlussrechnung vom 15.12.2021 eine an die Beklagte gerichtete Rechnung, die auf einen Betrag i.H.v. insgesamt 158.962 € brutto lautete. Sie forderte eine Zahlung bis zum 23.5.2022. Am 18.5.2022 ließ die Beklagte die Ansprüche der Klägerin zurückweisen und erhob die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin war der Ansicht, sie sei für die Entstehung oder die Ausbreitung des Brandes nicht verantwortlich. Da kein Widerspruch der Beklagten zu den Ausführungen vom 15.2.2021 erfolgt sei, habe die Klägerin davon ausgehen können, dass die Beklagte mit der kostenpflichtigen Durchführung der Räumung seitens der Klägerin einverstanden war. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch aus §§ 662, 670 BGB oder zumindest einen Erstattungsanspruch aus § 683 BGB i.V.m. den Grundsätzen zur Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein Ersatzanspruch bestehe auch aus § 546 Abs. 1 BGB und § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB. Mangels Rückgabe der Mietsache sei § 548 BGB nicht anwendbar.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage einen Anspruch auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 158.962 €.

Es gab keinerlei Veranlassung für die Klägerin zu der Annahme, dass die Beklagte einen Auftrag i.S.d. § 662 BGB erteilt hatte. Umgekehrt musste die Beklagte die Ankündigung, dass die Entsorgungskosten anschließend bekannt gegeben werden, nicht zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass man keine Kosten übernehmen werde. Der Klägerin steht ein Anspruch auch aus anderen Anspruchsgrundlagen nicht zu und zwar insbesondere weder aus §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB, noch aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB noch aus §§ 677, 684 Satz 1, 812 BGB oder aus Bereicherungsvorschriften.

Die Beklagte war nach der Beendigung des Mietvertrags durch Kündigung vom 20.11.2020 zwar verpflichtet, das Mietobjekt zu räumen und zurückzugeben. Indes führte dieser Umstand nicht als solcher dazu, dass die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz von Räumungs- und Entsorgungskosten hat. Bei der Räumungs- und Rückgabepflicht handelt es sich nicht um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.2018 - VIII ZR 157/17). Schadensersatz wegen der Verletzung der Räumungs- und Rückgabepflicht steht dem Vermieter grundsätzlich nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 BGB zu, wobei regelmäßig erforderlich ist, dass dem Mieter eine Frist zur Erfüllung der Räumungs- und Rückgabepflicht gesetzt wurde. Dies ist hier nicht passiert. Eine Fristsetzung war auch nicht deswegen entbehrlich, weil sich die Beklagte mit dem Beginn der Entsorgung einverstanden erklärt hatte.

Letztlich wären etwaige Ansprüche der Klägerin auf Ersatz von Räumungs- und Entsorgungskosten aus §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB, aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB, aus §§ 677, 684 Satz 1, 812 BGB oder aus Bereicherungsvorschriften verjährt gem. § 548 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hatte ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben. §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB enthalten für Leistungsstörungen im Mietvertrag eine spezielle und erschöpfende Regelung. § 548 BGB kann auch dann anwendbar sein, wenn der Vermieter anstelle des Mieters das Mietobjekt räumt.

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