13.10.2023

"Scheinbar morsch" reicht nicht aus

Wurde ein Baum nicht oder nicht ordnungsgemäß kontrolliert, ist dies für den Unfall nur dann ursächlich, wenn eine regelmäßige Kontrolle zur Entdeckung der Gefahr bzw. der Schädigung des Baumes hätte führen können, was von der klagenden Partei dazulegen und zu beweisen ist. Schädigungen können aber auch bei regelmäßigen Kontrollen unbemerkt bleiben. Deshalb kann selbst bei Annahme einer Schädigung noch nicht auf dessen Erkennbarkeit geschlossen werden.

LG Wuppertal v. 13.6.2023 - 4 O 3/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 14.7.2021 gegen 7 Uhr sein Fahrzeug, ein VW Golf VII GTD aufgesucht. Er hatte das Auto auf dem Parkstreifen vor dem Haus der Beklagten geparkt. Am Rand zum Gehsteig befanden sich Bäume und Sträucher. Diese waren auf etwaige Schäden nicht kontrolliert worden. Vor dem Fahrzeug des Klägers lag ein Ast, bestehend aus einem Hauptast, von dem Nebenäste abgingen, die mit grünen Blättern besetzt waren. Nachdem durch Feuerwehr und Polizeibeamte der Ast beseitigt werden konnte, stellte der Kläger fest, dass sein Fahrzeug an mehreren Stellen beschädigt war.

Der Kläger hat behauptet, der Baum, von dem der Ast auf sein Auto gefallen sei, habe auf dem Grundstück der Beklagten gestanden. Der herabgefallene Ast sei recht morsch gewesen. Wären die Bäume in angemessenen Zeitabständen regelmäßig kontrolliert worden, wäre es zu dem Abbruch des Astes nicht gekommen. Er hat von den Beklagten Zahlung von 3.856 € und weitere 4.912 € an seinen Vollkaskoversicherer verlangt.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Weder dem Kläger noch seiner Vollkaskoversicherung steht gegen einer der Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Ein solcher Anspruch folgte weder aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB noch aus §§ 839 Abs. 1; 249 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.V.m. §§ 9, 9a StrWG NRW.

Zum einen hatte der Kläger das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht nicht schlüssig vorgetragen. Zum anderen konnte - ungeachtet der Eigentumsfrage - kein innerer Zusammenhang zwischen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung und der Beschädigung des Fahrzeuges (Eigentumsverletzung) festgestellt werden (sog. haftungsbegründende Kausalität). Zwar hatten unstreitig keine regelmäßigen Sichtkontrollen stattgefunden. Aus diesem Umstand konnte jedoch noch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Baum dann morsch war und dass dies bei (hypothetischen) Sichtkontrollen feststellbar war.

Auch wenn die Bruchkanten dunkler waren, ließ sich daraus noch keine belangvolle Schädigung feststellen. Das Abbrechen des Astes, obwohl der Wind noch keine Sturmstärke erreicht hatte, ließ zwar eine Vorschädigung des Astes nicht fernliegend erscheinen, genügte für sich indes nicht, um diese Feststellung mit einem Grad an Gewissheit, welcher vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, feststellen zu können, zumal die genauen Windverhältnisse unbekannt blieben. Da der Baum inzwischen - losgelöst von diesem Verfahren - gefällt wurde und daher als Anknüpfung für eine etwaige sachverständige Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stand, schied auch eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes aus.

Zudem konnte anhand des gegebenen Tatbestandes nicht festgestellt werden, dass die unterlassenen regelmäßigen Sichtkontrollen (Verkehrssicherungspflichtverletzung) im Sinne eines inneren Zusammenhanges dazu geführt hatten, dass der Astabbruch nicht verhindert wurde. Wurde ein Baum nicht oder nicht ordnungsgemäß kontrolliert, ist dies für den Unfall nämlich nur dann ursächlich, wenn eine regelmäßige Kontrolle zur Entdeckung der Gefahr bzw. der Schädigung des Baumes hätte führen können, was von der klagenden Partei dazulegen und zu beweisen ist. Schädigungen können aber auch bei regelmäßigen Kontrollen unbemerkt bleiben. Deshalb kann selbst bei Annahme einer Schädigung noch nicht auf dessen Erkennbarkeit geschlossen werden.

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