22.04.2021

Schriftformvoraussetzungen bei einem Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten

Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden. Dabei kann es im Einzelfall auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, sofern hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht.

BGH v. 10.2.2021 - XII ZB 284/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Räumung und Herausgabe einer zum Betrieb eines Geldautomaten vermieteten Gewerbefläche in Anspruch. Die Parteien betreiben als Konkurrenzunternehmen in Deutschland an zahlreichen Standorten Geldautomaten. Im Juli 2015 schlossen die Beklagte als Mieterin und Herr A. T. als Vermieter einen Vertrag über eine Teilfläche des vom Vermieter seinerseits gemieteten Ladenlokals zum Zweck der Installation eines Geldautomaten gegen eine mtl. Miete von 570 € zzgl. Umsatzsteuer. Das Vertragsformular enthält auf der Vorderseite u.a. Angaben zum Standort des Ladenlokals, zu den Vertragsparteien und zur Höhe der Miete und ist abschließend von beiden Vertragsparteien unterschrieben.

Auf der von den Mietvertragsparteien nicht unterzeichneten Rückseite des Vertragsformulars befinden sich die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten, bei denen es unter § 1 Ziffer 1 heißt, dass die Mietfläche "in dem beigefügten Lageplan (Anlage 1) / Fotomontage eindeutig markiert" ist und diese Mietfläche von dem Mieter für das Aufstellen von Geldautomaten genutzt wird. Nach § 2 Ziffer 1 Satz 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen beginnt das Mietverhältnis mit der Inbetriebnahme des Geldautomaten und endet grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem das Mietverhältnis fünf Jahre bestand. Nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen verlängert sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Festlaufzeit oder der Verlängerungsperiode jedes Mal um zwölf Monate, wenn es nicht spätestens sechs Monate zuvor gekündigt wird.

Später unterzeichneten die Vertragsparteien eine Anlage, die mit "Anlage 1 (1980) zum Mietvertrag zwischen S und N. D. GmbH. Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags" überschrieben ist und eine Fotomontage zeigt, bei der der geplante von außen bedienbare Geldautomat in einer Ansicht der Hausfassade eingefügt ist. Der Geldautomat wurde im November 2016 in Betrieb genommen. Im August 2017 erklärte der Vermieter schriftlich die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.3.2018. Mit Vertrag von September 2017 trat der Vermieter, der die Mietfläche an die Klägerin weitervermietet hatte, seinen Anspruch auf Rückgabe der näher bezeichneten Mietfläche an die Klägerin ab und ermächtigte diese, in seinem Namen auch weitere Erklärungen gegenüber der Beklagten abzugeben, um den Räumungsanspruch durchzusetzen. Weiter heißt es in dem Abtretungsvertrag, dass die Beklagte berechtigt und verpflichtet ist, die Mietfläche direkt an die Klägerin zu übergeben.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt und verurteilte die Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Mietfläche. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil LG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass auf den vorliegenden Vertrag Mietrecht und damit auch die Formvorschrift des § 550 Satz 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB Anwendung findet. Der Senat hat nach Erlass des angegriffenen Urteils entschieden, dass ein Vertrag, bei dem sich die Verpflichtung des Vermieters wie hier darauf beschränkt, dem Automatenaufsteller gegen ein mtl. Entgelt eine Teilfläche der von ihm gemieteten Räumlichkeiten zur Aufstellung des Geldautomaten zur Verfügung zu stellen, rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren ist, weil das Vertragsverhältnis durch die typischen mietvertraglichen Hauptleistungspflichten der Überlassung des Mietobjekts zur vertragsgemäßen Nutzung gegen Zahlung eines Entgelts (§ 535 Abs. 1 und 2 BGB) geprägt wird. Auf einen solchen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr abgeschlossenen Vertrag findet daher gem. § 578 Abs. 2 BGB das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB Anwendung.

Entgegen der Auffassung des OLG wahrt der Mietvertrag unter Berücksichtigung der von den Mietvertragsparteien unterzeichneten Anlage 1 jedoch die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form (§ 550 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB). Gem. § 2 Ziffer 1 des Mietvertrags ist das Mietverhältnis daher mit einer Laufzeit von zunächst fünf Jahren ab Inbetriebnahme des Geldautomaten im November 2016 abgeschlossen, so dass die vom Vermieter im August 2017 erklärte ordentliche Kündigung nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrags geführt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen insbesondere den Mietgegenstand, die Miete, die Vertragsdauer und die Parteien des Mietverhältnisses aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Zur Schriftform gehört zudem, dass die Urkunde gem. § 126 Abs. 1 und 2 BGB von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird und die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die urkundliche Erklärung vollenden.

Für die Einhaltung der Schriftform ist es aber nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden. Dabei kann es im Einzelfall auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, sofern hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht. Eine körperliche Verbindung der Anlage mit dem in Bezug genommenen Vertrag ist dabei nicht erforderlich. Wie bei einer Nachtragsvereinbarung genügt es zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden. Ausreichend ist daher, dass die Anlage die Mietvertragsparteien bezeichnet, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ersichtlich ist, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll.

Danach wahrt der Vertrag im vorliegenden Fall die Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB. Die eigentliche Vertragsurkunde genügt dem Schriftformerfordernis zwar nicht. Diese ist von den Mietvertragsparteien lediglich auf der Vorderseite unterzeichnet worden. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des OLG, die nach § 550 Satz 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit der vereinbarten Festlaufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags werde auch nicht durch die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage 1 gewahrt. Diese Anlage nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage 1 der streitgegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt werden. Aus dieser Bezugnahme werden die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage 1 zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergibt. Deshalb ist es für die Erfüllung der Schriftform unschädlich, dass in der Anlage 1 die weiteren Vertragsbedingungen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt sind und dort auch kein klarstellender Hinweis auf die Fortgeltung der in der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten ist.
BGH online
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