Streit um Ende der Verjährungshemmung bei Anrufung einer Schlichtungsstelle
OLG Oldenburg v. 16.4.2025 - 5 U 74/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger nahm die Beklagte auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens im Zusammenhang mit seiner Behandlung in dem Krankenhaus, dessen Träger die Beklagte ist, in der Zeit vom 27.10.2018 bis zum 7.11.2018 in Anspruch. Der Kläger hat den Behandlern vorgeworfen, dass er während seines stationären Aufenthalts zwecks Herzkathetereingriffs einen Thalamusinfarkt / Schlaganfall erlitten habe, den die Behandler standardunterschreitend nicht erkannt und demzufolge auch nicht zeitgerecht behandelt hätten.
Mit Schreiben vom 17.11.2020, eingegangen bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern am 23.11.2020, hat der Kläger ein Schlichtungsverfahren u.a. gegen die Beklagte beantragt; der Antrag ist der Beklagten am 14.12.2020 zugegangen. Mit Schreiben vom 13.1.2021 lehnte die Beklagte die Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren ab, was dem Kläger mit Schreiben der Schlichtungsstelle vom 15.1.2021 mitgeteilt wurde. Unter dem 28.8.2023, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen und am 5.10.2023 der Beklagten zugestellt, hat der Kläger Klage erhoben.
Mit Blick auf die von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung hat der Kläger bestritten, dass jenes Schreiben, mit welchem die Schlichtungsstelle mitgeteilt habe, dass die Beklagte sich auf ein Schlichtungsverfahren nicht einlasse, bereits am 15.1.2021 in den Postausgang gelangt sei; dies könne in gleicher Weise spätestens am Dienstag, den 19.1.2021 geschehen sein, weil es ihm am 20.1.2021 zugegangen sei. Für das Ende der Hemmung komme es aber nicht auf das Datum des Schreibens an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem es in den Postausgang bei der Schlichtungsstelle gelangt sei. Die Beklagte hat Behandlungsfehler bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Blick auf das Ende der Hemmung hat sie die Ansicht vertreten, dies entspreche dem Datum des Mitteilungsschreibens, also Freitag dem 15.1.2021.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Ansprüche des Klägers sind verjährt.
Die Verjährungsfrist hat begonnen mit Ablauf des 31.12.2019. Verjährung wäre ohne Hemmung eingetreten mit Ablauf des 31.12.2022. Die erst am 28.08.2023 erhobene Klage wäre ohne Hemmung erkennbar zu spät erhoben, um eine weitere Hemmung nach § 204 BGB Abs.1 Nr.1 BGB noch herbeiführen zu können. Das Schlichtungsverfahren hat zwar gem. § 204 Abs.1 Nr.4 lit b BGB zu einer zeitweiligen Hemmung in unverjährter Zeit geführt. Allerdings hat die Hemmung nur 55 Tage und nicht 58 Tage angedauert, was unter Einschluss der 6-Monatsfrist des § 204 Abs.3 BGB zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 24.8.2023 führte, so dass trotz der zwischenzeitlichen Hemmung die Klage am 28.8.2023 zu spät erhoben wurde als dass sie mit Blick auf die Verjährungsfrist noch Wirkung hätte entfalten können.
Zwar ist es richtig, dass etwas Anderes gölte, wenn die Hemmung, wie der Kläger geltend macht, erst nach 58 Tagen geendet hätte, weil in diesem Fall das Ende der Hemmung erst mit Ablauf des 28.8.2023 eingetreten wäre, weil der 27.8.2023 ein Sonntag war (§ 222 Abs.2 ZPO) und der Kläger für sich die Vorwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen könnte (dass tatsächlich zwischen Eingang der Klage und Zustellung mehr als ein Monat lag, war nicht vom Kläger zu vertreten, sondern beruhte auf der Saumseligkeit des LG). Die Hemmung hat allerdings bereits mit Ablauf des 15.1.2021 und nicht erst mit Verstreichen des 19.1.2021 ihr Ende gefunden, weil bereits am 15.1.2021 die Bekanntgabe, dass die Beklagte sich auf das Schlichtungsverfahren nicht einlassen wollte, veranlasst worden war, was analog § 204 BGB Abs.1 Nr.4 lit b die Hemmung beendet.
Dabei war aus Sicht des Senates maßgeblich, dass am 15.1.2021 der Sachbearbeiter der Schlichtungsstelle das entsprechende Schreiben verfasst und sich dessen mit dem Ziel der Übermittlung an die Beklagte entäußert hatte. Demgegenüber war es unerheblich, wann das Schreiben tatsächlich die Poststelle der Schlichtungsstelle erreicht hatte oder gar, wann es einem Zustelldienst übergeben worden war.
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Der Kläger nahm die Beklagte auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens im Zusammenhang mit seiner Behandlung in dem Krankenhaus, dessen Träger die Beklagte ist, in der Zeit vom 27.10.2018 bis zum 7.11.2018 in Anspruch. Der Kläger hat den Behandlern vorgeworfen, dass er während seines stationären Aufenthalts zwecks Herzkathetereingriffs einen Thalamusinfarkt / Schlaganfall erlitten habe, den die Behandler standardunterschreitend nicht erkannt und demzufolge auch nicht zeitgerecht behandelt hätten.
Mit Schreiben vom 17.11.2020, eingegangen bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern am 23.11.2020, hat der Kläger ein Schlichtungsverfahren u.a. gegen die Beklagte beantragt; der Antrag ist der Beklagten am 14.12.2020 zugegangen. Mit Schreiben vom 13.1.2021 lehnte die Beklagte die Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren ab, was dem Kläger mit Schreiben der Schlichtungsstelle vom 15.1.2021 mitgeteilt wurde. Unter dem 28.8.2023, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen und am 5.10.2023 der Beklagten zugestellt, hat der Kläger Klage erhoben.
Mit Blick auf die von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung hat der Kläger bestritten, dass jenes Schreiben, mit welchem die Schlichtungsstelle mitgeteilt habe, dass die Beklagte sich auf ein Schlichtungsverfahren nicht einlasse, bereits am 15.1.2021 in den Postausgang gelangt sei; dies könne in gleicher Weise spätestens am Dienstag, den 19.1.2021 geschehen sein, weil es ihm am 20.1.2021 zugegangen sei. Für das Ende der Hemmung komme es aber nicht auf das Datum des Schreibens an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem es in den Postausgang bei der Schlichtungsstelle gelangt sei. Die Beklagte hat Behandlungsfehler bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Blick auf das Ende der Hemmung hat sie die Ansicht vertreten, dies entspreche dem Datum des Mitteilungsschreibens, also Freitag dem 15.1.2021.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Gründe:
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Die Verjährungsfrist hat begonnen mit Ablauf des 31.12.2019. Verjährung wäre ohne Hemmung eingetreten mit Ablauf des 31.12.2022. Die erst am 28.08.2023 erhobene Klage wäre ohne Hemmung erkennbar zu spät erhoben, um eine weitere Hemmung nach § 204 BGB Abs.1 Nr.1 BGB noch herbeiführen zu können. Das Schlichtungsverfahren hat zwar gem. § 204 Abs.1 Nr.4 lit b BGB zu einer zeitweiligen Hemmung in unverjährter Zeit geführt. Allerdings hat die Hemmung nur 55 Tage und nicht 58 Tage angedauert, was unter Einschluss der 6-Monatsfrist des § 204 Abs.3 BGB zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 24.8.2023 führte, so dass trotz der zwischenzeitlichen Hemmung die Klage am 28.8.2023 zu spät erhoben wurde als dass sie mit Blick auf die Verjährungsfrist noch Wirkung hätte entfalten können.
Zwar ist es richtig, dass etwas Anderes gölte, wenn die Hemmung, wie der Kläger geltend macht, erst nach 58 Tagen geendet hätte, weil in diesem Fall das Ende der Hemmung erst mit Ablauf des 28.8.2023 eingetreten wäre, weil der 27.8.2023 ein Sonntag war (§ 222 Abs.2 ZPO) und der Kläger für sich die Vorwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen könnte (dass tatsächlich zwischen Eingang der Klage und Zustellung mehr als ein Monat lag, war nicht vom Kläger zu vertreten, sondern beruhte auf der Saumseligkeit des LG). Die Hemmung hat allerdings bereits mit Ablauf des 15.1.2021 und nicht erst mit Verstreichen des 19.1.2021 ihr Ende gefunden, weil bereits am 15.1.2021 die Bekanntgabe, dass die Beklagte sich auf das Schlichtungsverfahren nicht einlassen wollte, veranlasst worden war, was analog § 204 BGB Abs.1 Nr.4 lit b die Hemmung beendet.
Dabei war aus Sicht des Senates maßgeblich, dass am 15.1.2021 der Sachbearbeiter der Schlichtungsstelle das entsprechende Schreiben verfasst und sich dessen mit dem Ziel der Übermittlung an die Beklagte entäußert hatte. Demgegenüber war es unerheblich, wann das Schreiben tatsächlich die Poststelle der Schlichtungsstelle erreicht hatte oder gar, wann es einem Zustelldienst übergeben worden war.
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