08.11.2023

Streit um Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall

Der durchschnittliche Geschädigte hat aber im Regelfall keine Kenntnis davon, um was für ein Fahrzeug es sich bei dem angemieteten Wagen handelt. Er muss hierüber auch nicht aufgeklärt werden. Somit ist für ihn nicht erkennbar, ob es sich um einen als Mietfahrzeug für Selbstfahrer zugelassenen Mietwagen handelt oder nicht. Eine Nachfragepflicht besteht ebenfalls nicht.

AG Rheine v. 31.8.2023 - 14 C 187/22
Der Sachverhalt:
Der Unfallgeschädigte hatte für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeugs von der Klägerin einen Leihwagen erhalten. Die Kosten für das Leihfahrzeug stellte die Klägerin mit 1.275 € in Rechnung. Der Unfallgeschädigte trat die Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Die Beklagte zahlte hierauf 492 €. Sie rechnete diesen Betrag wie folgt ab: Mietwagenkosten 50 % nach Fraunhofer-Institut für 16 Tage, Gruppe 7.

Die Klägerin war der Auffassung, sie habe Anspruch auf Erstattung der gesamten in Rechnung gestellten Mietwagenkosten. Es sei schadenersatzrechtlich irrelevant, ob das angemietete Fahrzeug ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug sei oder nicht. Für den Schadenersatzanspruch des Geschädigten sei die Zulassung als Selbstfahrer-Mietfahrzeug nicht von Bedeutung. Nach der Schwacke-Liste ergebe sich ein Anspruch auf Mietwagenkosten von 1.842 €, nach der Fraunhofer-Erhebung ein Anspruch i.H.v. 696 €. Das arithmetische Mittel aus beiden Erhebungen belaufe sich auf 1.269 €. Die abgerechneten Mietwagenkosten entsprächen daher einem Normaltarif.

Die Beklagte bestritt weiter, dass es sich bei dem Leihwagen um ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug gehandelt habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass dieses Fahrzeug ein Vorführwagen oder ein Werkstattersatzwagen gewesen sei. Weil der Geschädigte kein normales Mietfahrzeug gemietet habe, gehe sie davon aus, dass die Klägerin mit dem Geschädigten Sonderkonditionen vereinbart habe, weil auf der Gegenseite eine Haftpflichtversicherung eintrittspflichtig sei.

Das AG hat der Klage auf Zahlung weiterer 782 € überwiegend stattgegeben.

Die Gründe:
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht einen restlichen Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten in Höhe des ausgeurteilten Betrages gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Das Gericht wendet in ständiger Rechtsprechung das arithmetische Mittel zwischen dem Schätzwert der Schwacke-Liste und dem des Fraunhofer-Instituts als Schätzgrundlage an. Danach belaufen sich die Mietwagenkosten vorliegend auf 1.269 €.

Sofern kein gewerblich vermietetes Selbstfahrer-Mietfahrzeug gemietet wird, sondern ein Werkstattersatzwagen, nehmen einige Gerichte eine Kürzung der Mietwagenkosten vor. Sie begründen dies damit, dass das Autohaus als Autovermieter gegen die Zulassungsvorschriften verstoßen würde, da ein Mietfahrzeug für Selbstfahrer als solches zugelassen werden müsse. Das Autohaus würde im Vergleich zu anderen Autohäusern, die die Mietwagen als Mietfahrzeuge für Selbstfahrer zulassen, wettbewerbswidrig handeln. Außerdem erspare sich das Autohaus Kosten gegenüber einem gewerblichen Vermieter aufgrund der nicht jährlich anfallenden Hauptuntersuchung und der geringeren Versicherungsprämien. Ferner sei der Verwaltungsaufwand für ein Mietfahrzeug für Selbstfahrer höher als bei einem Werkstattwagen. Höchst richterlich entschieden ist das Thema noch nicht.

Ob der Mietwagen als Mietfahrzeug für Selbstfahrer zugelassen ist, ist für die Frage des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger nicht von Belang. Denn es ist streng zu trennen zwischen dem Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter einerseits und dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung andererseits. Das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter spielt für den Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger keine Rolle. Im Schadenersatzrecht ist alleine auf die Sicht des Geschädigten abzustellen. Der durchschnittliche Geschädigte hat aber im Regelfall keine Kenntnis davon, um was für ein Fahrzeug es sich bei dem angemieteten Wagen handelt. Er muss hierüber auch nicht aufgeklärt werden. Somit ist für ihn nicht erkennbar, ob es sich um einen als Mietfahrzeug für Selbstfahrer zugelassenen Mietwagen handelt oder nicht. Eine Nachfragepflicht besteht ebenfalls nicht.

Wenn zwischen den Mietfahrzeugen keine relevanten Kostenunterschiede bestehen, ist es schadensrechtlich auch nicht relevant, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen Werkstattwagen oder ein gewerbsmäßig vermietetes Fahrzeug handelt. Eine Kürzung der Rechnung, nur weil es sich um einen Werkstattwagen handelt, ist folglich nicht gerechtfertigt. Daher können auch in diesem Fall die Tarife einer gewerblichen Autovermietung herangezogen bzw. eine Schätzung aufgrund von Mietpreisspiegeln vorgenommen werden, um die "erforderlichen Kosten nach § 249 BGB" ermitteln zu können.

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