12.06.2023

Trennungsunterhalt: Getrennte Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch nicht mutwillig

Die isolierte Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch hinsichtlich des Trennungsunterhalts ist grundsätzlich nicht mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 2 ZPO (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 10.3.2005 - XII ZB 20/04, FamRZ 2005, 786). Bei einem zum Zeitpunkt der Antragseinreichung aufgelaufenen streitwerterhöhenden Unterhaltsrückstand hat die Prüfung der Mutwilligkeit den jeweiligen Einzelfall in den Blick zu nehmen. Mutwilligkeit scheidet aus, wenn nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorliegen.

BGH v. 5.4.2023 - XII ZB 2/21
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Trennungsunterhalt. Die Beteiligten schlossen im Juli 2016 die Ehe und trennten sich im Dezember 2017. Zu Beginn des Jahres 2018 erhob die Antragstellerin vor dem AG ohne Beantragung von Verfahrenskostenhilfe einen isolierten Auskunftsantrag. Nach Erteilung der Auskunft durch den Antragsgegner erklärten die Beteiligten das Verfahren für erledigt, worauf die Verfahrenskosten dem Antragsgegner auferlegt wurden. Im vorliegenden Verfahren beantragte die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung ausschließlich rückständigen Trennungsunterhalts für die Zeit von Januar 2018 bis Dezember 2019.

Das AG - Familiengericht - bewilligte der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe, soweit nicht Verfahrenskostenhilfe bereits im vorangegangenen Auskunftsverfahren bewilligt und abgerechnet wurde; zudem begrenzte es die Verfahrenskostenhilfe der Höhe nach auf drei Monate (Januar bis März 2018). Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin bewilligte das OLG die Verfahrenskostenhilfe unter Anrechnung der im vorangegangenen Auskunftsverfahren abgerechneten Gebühren und begrenzte diese auf einen Verfahrenswert von rd. 6.800 € (Rückstand von Januar bis Mai 2018 und alsdann 12 Monate). Dagegen legten die Antragstellerin und ihr erstinstanzlicher Verfahrensbevollmächtigter (Beschwerdeführer zu 2) Rechtsbeschwerden ein, mit welchen sie die vollumfängliche Verfahrenskostenhilfebewilligung erstreben. Die Ehe der Beteiligten ist inzwischen rechtskräftig geschieden.

Der BGH hob den Beschluss des OLG auf, bewilligte der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe, ordnete einen Rechtsanwalt bei und erlegte der Staatskasse die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerdeführer auf.

Die Gründe:
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wenn eine Partei, die keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Das verfahrensrechtliche Vorgehen der Antragstellerin war nicht mutwillig in diesem Sinne.

Dies gilt zum einen für die Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch in zwei getrennten Verfahren. Stehen mehrere prozessuale Wege der Rechtsverfolgung zur Verfügung, so handelt nur mutwillig, wer den Weg beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Für die Beurteilung der Mutwilligkeit kommt es nicht auf die insgesamt anfallenden Kosten, sondern darauf an, ob eine nicht bedürftige Partei aus Kostengesichtspunkten von der getrennten Geltendmachung in der Regel absehen würde. Eine kostenbewusste vermögende Partei wäre aber in erster Linie auf die allein sie treffenden Kosten bedacht. Deshalb ist auch für die Frage, ob eine Rechtsverfolgung aus Kostengründen mutwillig ist, hierauf abzustellen. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist (Senatsbeschluss vom 10.3.2005 - XII ZB 20/04, FamRZ 2005, 786, für die isolierte Geltendmachung möglicher Scheidungsfolgesachen).

Nach diesen Maßstäben ist die hier ohne Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe erfolgte isolierte Erhebung eines Auskunftsantrags nicht als mutwillig anzusehen. Nichts anderes gilt dafür, dass die Antragstellerin den Antrag nach Erteilung der Auskunft nicht zu einem Stufenantrag erweitert hat. Zwar hätte die Erhebung eines Stufenantrags zur Folge, dass insgesamt geringere gerichtliche und außergerichtliche Verfahrenskosten entstehen als bei sukzessiver Anspruchsverfolgung in getrennten Verfahren. Da aber maßgeblich auf die Perspektive des rechtsuchenden Beteiligten abzustellen ist, kommt es nach der genannten Senatsrechtsprechung entscheidend darauf an, ob ein nicht bedürftiger Beteiligter im Hinblick auf die allein ihn treffenden Kosten von der isolierten Geltendmachung des Auskunftsanspruchs absehen würde. Davon kann jedenfalls nicht grundsätzlich ausgegangen werden, sondern allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände. Hier liegen keine Umstände vor, aus denen sich von vornherein eine höhere Belastung mit eigenen Kosten ergibt. Vielmehr lassen sich auch gute Gründe für eine isolierte Geltendmachung des Auskunftsanspruchs anführen.

Die vom OLG vorgenommene Beschränkung der Verfahrenskostenhilfebewilligung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände entspricht zum anderen nicht den nach § 114 Abs. 2 ZPO anzulegenden Maßstäben. Zwar erhöht das Auflaufen von Rückständen wegen der mit der Hinzurechnung nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG verbundenen Streitwerterhöhung das Kostenrisiko des bedürftigen Beteiligten für ein künftiges Verfahren. Ein nicht bedürftiger Beteiligter wird also im eigenen Interesse darauf bedacht sein, ein übermäßiges Anwachsen des Streitwerts zu vermeiden. Daraus folgt aber noch nicht, dass jedwedes Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung den Vorwurf der Mutwilligkeit begründet. Vielmehr werden in der Praxis mit einem Antrag auf laufenden Unterhalt regelmäßig bis zur Antragseinreichung bzw. Einreichung des Verfahrenskostenhilfeantrags bereits aufgelaufene Rückstände geltend gemacht.

Ob und ggf. inwiefern diese Rechtsprechung im Einzelnen mit den vorgenannten Grundsätzen zu vereinbaren ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn abgesehen von dem Fall, dass die Art der Anspruchsgeltendmachung als von vornherein nicht nachvollziehbar und ohne Grund kostenerhöhend erscheint, hat die Prüfung der Mutwilligkeit den jeweiligen Einzelfall in den Blick zu nehmen. Mutwilligkeit scheidet dabei aus, wenn nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorliegen. Im vorliegenden Fall ist die Annahme einer Mutwilligkeit danach nicht berechtigt.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO:
§ 114 Voraussetzungen
Schultzky in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Rechtsprechung:
ohne Titel
BGH vom 10.03.2005 - XII ZB 20/04
FamRZ 2005, 786

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