18.02.2025

Überfahrtbaulast begründet kein Wegerecht

Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Eine Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht.

BGH v. 24.1.2025 - V ZR 51/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Eigentümerinnen benachbarter Grundstücke, die durch Grundstücksteilung entstanden sind. Das zu Wohnzwecken genutzte Grundstück der Klägerin verfügt über einen Hof und zwei Garagen. Die Zufahrt zu den Garagen erfolgt über einen gepflasterten, über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Weg. Eine weitere Zufahrtsmöglichkeit besteht derzeit nicht. Auf dem Grundstück der Beklagten ruht eine Überfahrtbaulast zur Gewährung der Zufahrt zum Grundstück der Klägerin.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Instandsetzung des beschädigten Wegs durch fachgerechtes Pflastern, dessen Instandhaltung, die Entfernung jeglicher Gegenstände von dort, welche die Überfahrt beeinträchtigen, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Einräumung eines Notwegrechts zu Recht verneint. Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Welche Art der Benutzung eines Grundstücks i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßig ist, bestimmt sich danach, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Zu berücksichtigen sind die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Eine ordnungsmäßige Benutzung setzt also bei einem Wohngrundstück nach ständiger BGH-Rechtsprechung in der Regel (nur) die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus. Davon zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück zu fahren und Kraftfahrzeuge dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für das ein Notweg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, kann es mit Kraftfahrzeugen angefahren werden. Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück für die ordnungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken selbst dann gewährleistet, wenn keine Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück abgestellt werden können.

Danach verneint das LG zutreffend eine Notsituation des zu Wohnzwecken genutzten und mit einem öffentlichen Weg verbundenen Grundstücks der Klägerin. Etwas anderes folgt nicht aus BGH v. 24.1.2020 - V ZR 155/18. Soweit der Senat für den dort zu entscheidenden Fall ausgeführt hat, dass sich die Nutzung der Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen nicht als ordnungsmäßige Benutzung i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, weil die Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig seien, ist dem nicht im Umkehrschluss zu entnehmen, dass die Nutzung nach öffentlichem Recht zulässiger Bauten ohne weitere Voraussetzungen eine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegrecht dar.

Aus der auf dem Grundstück der Beklagten lastenden Überfahrtbaulast folgt ebenfalls keine Duldungspflicht der Beklagten. Die i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßige Benutzung eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks, welches eine Verbindung mit einem öffentlichen Weg aufweist, erfordert es im Allgemeinen auch dann nicht, dass auf einem verbindungslosen Grundstücksteil errichtete Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt werden können, wenn deren Zufahrt mittels Baulast gesichert ist. Die Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung gewährt privatrechtlich weder dem dadurch Begünstigten einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden. Eine Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht. Soweit für Unterlassungsansprüche und die Arglisteinrede, die dem Herausgabeanspruch des Eigentümers entgegengesetzt wird, bisweilen etwas anderes vertreten wird, erscheint dies zweifelhaft, kann aber hier dahinstehen, da die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch geltend macht, sondern von der Beklagten ein positives Tun begehrt. Einen solchen Anspruch gewährt eine Baulast ohnehin nicht.

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