20.06.2022

Unrichtige Parteibezeichnung "übrige Wohnungseigentümer" anstatt Wohnungseigentümergemeinschaft: Berichtigende Auslegung von Amts wegen

Eine nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes gegen "die übrigen Wohnungseigentümer" gerichtete Beschlussmängelklage ist dahingehend auszulegen, dass sie sich gegen "die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" richtet, wenn in der Klageschrift zugleich der Verwalter als Zustellungsvertreter der beklagten Partei benannt wird. Enthält die Klageschrift eine objektiv unrichtige, aber auslegungsfähige Bezeichnung des Klagegegners, kann sie die Anfechtungsfristen des § 45 WEG wahren.

LG Berlin v. 22.3.2022 - 55 S 37/21 WEG
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Klägerin ist eine ihrer Mitglieder. Zur Behebung eines Sanierungsbedarfes an der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Ölheizung beschloss die Eigentümerversammlung am 10.11.2020, anstelle der Ersatzbeschaffung einer neuen Heizung den Abschluss eines Contracting-Vertrages über die Laufzeit von 15 Jahren.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 10.12.2020 ursprünglich die Ungültigerklärung dieses Beschlusses betrieben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Eigentümerversammlung hätte den Beschluss nicht wie geschehen mit einfacher Mehrheit fassen dürfen, da er auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG a.F. abziele. Sie hat diese Klage zunächst gegen die übrigen Miteigentümer der Gemeinschaft, vertreten durch die Verwalterin gerichtet. Auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts hat sie - nach Ablauf der Anfechtungsfristen des § 45 Abs. 1 WEG - erklärt, die Klage richte sich gegen die Gemeinschaft.

Das AG wies die Klage ab. Die Klage sei nicht innerhalb der Anfechtungsfristen des § 45 Abs. 1 WEG fristgerecht erhoben worden, da die Klägerin sie ursprünglich gegen die übrigen Eigentümer gerichtet habe. Nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1.12.2020 hätte sie die Klage aber nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 Satz 2 WEG gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erheben müssen.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin zunächst ihr ursprüngliches Klageziel weiter. Nachdem die Eigentümerversammlung am 2.12.2021 beschloss, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, erklärte sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Ihr entsprechender Feststellungsantrag hatte vor dem LG Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Feststellungsantrag ist begründet, denn die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.

Der angefochtene und zwischenzeitlich durch die Eigentümerversammlung wieder aufgehobene Beschluss vom 10.11.2020 war rechtswidrig, denn er verstieß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung. Er zielte auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums ab. Eine solche bauliche Veränderung konnte im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10.11.2020 - dies ist der für die Beurteilung seiner Rechtsmäßigkeit maßgebliche Zeitpunkt - nur mit Zustimmung aller Eigentümer gefasst werden.

Ein einfacher Mehrheitsbeschluss wäre nur dann ausreichend gewesen, wenn es sich bei der beschlossenen Maßnahme um eine modernisierende Instandsetzung i.S.v. § 22 Abs. 3 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung gehandelt hätte. Ob eine solche modernisierende Instandsetzung i.S.v. § 22 Abs. 3 WEG hier vorgelegen hat, kann jedoch dahinstehen. Denn Voraussetzung für eine auf diese Norm gestützte Beschlussfassung wäre gewesen, dass der Beschlussantrag die dort bestimmte qualifizierte Mehrheit erreicht hätte. Diese Voraussetzung ist aber ebenfalls nicht erfüllt. Ausweislich des Versammlungsprotokolls ist der Beschlussantrag lediglich mit einer Mehrheit von 13 Ja-Stimmen bei 6 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen angenommen worden.

Die Klägerin hat die Klage innerhalb der in § 45 Abs. 1 WEG bestimmten Fristen erhoben, weshalb der von ihr geltend gemachte Anfechtungsgrund bei der Sachentscheidung Berücksichtigung finden muss. Diese Fristen sind nicht deshalb versäumt worden, weil die Anfechtungsklage zunächst gegen die übrigen Wohnungseigentümer und nicht ausdrücklich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtet worden ist. Bei verständiger Auslegung des Klagebegehrens war für alle Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar, dass sich die Anfechtungsklage nur gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft richten konnte und auch gerichtet sein sollte.

Bei der Auslegung des Klageschriftsatzes ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beschlussanfechtungsklage i.S.v. § 44 Abs. 1 S. 1 WEG um eine Gestaltungsklage handelt. Merkmal einer solchen Gestaltungsklage ist, dass der Gesetzgeber selbst vorgibt, gegen welche Personen sie zu richten ist. Dies unterscheidet sie von der Leistungsklage, die erfolgreich nur gegen den Schuldner eines behaupteten Anspruchs gerichtet werden kann. Als passivlegitimierte Partei hat der Gesetzgeber in § 44 Abs. 2 S. 1 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht die einzelnen Wohnungseigentümer benannt. Diese Regelung ist am 1.12.2020 in Kraft getreten.

Die Parteibezeichnung der beklagten Partei in der Klageschrift vom 10.12.2020 war somit objektiv unrichtig; dies war auch für alle Beteiligten offensichtlich. Bei objektiv unrichtiger Bezeichnung ist aber grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar nach deren objektiven Sinn betroffen sein soll. Dies ist aufgrund des Klagebegehrens, des Inhalts der Klageschrift und aufgrund des Umstandes, dass in der Klageschrift als vertretungsberechtigtes Organ der Verwalter benannt worden ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Da die in der Klageschrift gewählte Parteibezeichnung offensichtlich unrichtig war, es aber wegen der gesetzlichen Ausgestaltung der Anfechtungsklage in § 44 Abs. 1 und 2 WEG zugleich keinen Zweifel gab, gegen wen sich die Klage statt der fehlerhaft benannten Partei hat richten sollen und gerichtet hat, bedurfte es - entgegen der Annahme des AG - keines ausdrücklichen Parteiwechsels. Die fehlerhafte Bezeichnung der beklagten Partei war vielmehr von Amts wegen zu berichtigen (Rubrumsberichtigung). Die Klage ist daher ungeachtet der Falschbezeichnung der Beklagten innerhalb der in § 45 Abs. 1 WEG bestimmten Klagefristen rechtzeitig erhoben worden.

Mehr zum Thema:

 

 

Justiz Berlin online
Zurück