17.04.2023

Verkehrsunfall: Streit um die merkantile Wertminderung

Die Wertminderung ist in vollem Umfang ohne Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung zu erstatten. Maßgeblich ist dabei, dass es sich bei der merkantilen Wertminderung nicht um eine Schadensersatzposition i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB handelt, sondern um einen Entschädigungsanspruch i.S.d. § 251 BGB. Es gibt zudem gute Argumente gegen den Abzug der Mehrwertsteuer bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten.

AG Aschaffenburg v. 30.3.2023 - 130 C 302/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten zuletzt nur noch um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 25.8.2022. Eine Haftungsquote von jeweils 50% war zwischen ihnen unstreitig. Streit bestand lediglich über die Höhe der zu erstattenden Wertminderung. Die Klägerin verlangte diesbezüglich eine Erstattung von merkantiler Wertminderung i.H.v. weiteren 151,68 €. Die Beklagte war der Ansicht, bei der Berechnung sei die Vorsteuerabzugsberechtigung zu berücksichtigen.

Das AG hat der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung von merkantiler Wertminderung i.H.v. weiteren 151,68 €.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Wertminderung in vollem Umfang ohne Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung zu erstatten. Maßgeblich ist dabei, dass es sich bei der merkantilen Wertminderung nicht um eine Schadensersatzposition i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB handelt, sondern um einen Entschädigungsanspruch i.S.d. § 251 BGB. Der merkantilen Wertminderung liegt zu Grunde, dass das Unfallfahrzeug im reparierten Zustand in technischer Hinsicht im gleichen Zustand ist wie ohne den Unfall, aber aufgrund der Unfallvorgeschichte auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen niedrigeren Preis erzielen würde.

Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts handelt, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kfz allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (BGH, Urt. v. 23.11.2004 - VI ZR 357/03). Da es dem Schädiger nicht möglich ist, darauf Einfluss zu nehmen, was in den Köpfen potentieller Käufer vor sich geht, kann er nicht den Zustand herstellen, der bestünde, wenn das Fahrzeug ohne Unfallvorgeschichte auf dem Gebrauchtwagenmarkt verkauft werden würde. Deshalb liegt ein Fall des § 251 BGB vor. Die Herstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis besehen würde, ist nicht möglich und deshalb hat der Schädiger den Geschädigten in Geld zu entschädigen.

Es gibt zudem gute Argumente gegen den Abzug der Mehrwertsteuer bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten. Erstens enthält der für die Wertminderung einschlägige § 251 BGB anders als § 249 Abs. 2 S. 2 BGB keine Regelung, dass die Mehrwertsteuer nur zu ersetzen ist, wenn diese tatsächlich anfällt. Daraus kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass beim Wertersatz nach § 251 BGB die Mehrwertsteuer auch dann in dem zu erstattenden Betrag enthalten ist, wenn diese bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten konkret nicht anfällt. Ein weiteres Argument ist ein logischer Vergleich. Ob und inwieweit die Wertminderung sich tatsächlich realisiert, hat keinen Einfluss auf deren Erstattungsfähigkeit. Die Argumentation, die Mehrwertsteuer sei bei einem Vorsteuerabzugsberechtigen abzuziehen, weil sie bei diesem nicht anfällt, ist nicht logisch, da zu bedenken ist, dass sogar der Umstand, dass die Wertminderung in vielen Fällen im Ganzen nicht anfällt, nicht dazu führt, dass kein Anspruch auf Wertminderung bestehen würde.

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