06.10.2021

Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten in Familienstreitsache: Vermeidbarer Rechtsirrtum hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist

Holt der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten einer Familienstreitsache bei Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist über einen Monat hinaus nicht die erforderliche Zustimmung des Gegners ein, so beruht die anschließende Fristversäumung auf seinem Verschulden. Bei einem nicht sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen der Fristverlängerung enthaltenden Antrag besteht grundsätzlich auch keine gerichtliche Hinweispflicht.

BGH v. 25.8.2021 - XII ZB 172/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten in der vom Scheidungsverbund abgetrennten Folgesache noch über den Zugewinnausgleich. Das AG hat den Antragsgegner im Oktober 2019 zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von ca. 240.000 € verpflichtet. Gegen den dem Antragsgegner im November 2019 zugestellten Beschluss hat dieser rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Auf entsprechenden Antrag hat die Senatsvorsitzende die Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat bis zum 5.2.2020 verlängert.

Die mit Schriftsatz vom 4.2.2020 beantragte erneute Fristverlängerung hat die Senatsvorsitzende wegen fehlender Zustimmung der Antragstellerin als Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, die Zurückweisung des zweiten Fristverlängerungsantrags sei rechtswidrig gewesen, weil es nur einer Anhörung, nicht aber einer Zustimmung des Beschwerdegegners bedürfe. Er hat die Beschwerde mit am 25.2.2020 beim OLG eingegangenem Schriftsatz begründet.

Das OLG verwarf die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Der BGH hat nun auch die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners verworfen.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist angenommen. Diese richtete sich nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Die Frist betrug danach zwei Monate, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe am 5.11.2019, und ist von der Senatsvorsitzenden des OLG bis zum 5.2.2020 verlängert worden. Die bereits verlängerte Frist konnte durch die erst am 25.2.2020 eingegangene Beschwerdebegründung nicht mehr gewahrt werden.

Auch im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 233 ZPO liegt ein Zulassungsgrund nicht vor. Denn die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist war nicht unverschuldet.

Da gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht zulässig ist, hätte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners grundsätzlich nur dann eine weitere Verlängerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde eine erbetene Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilen.

Im vorliegenden Fall bestand für ein entsprechendes Vertrauen keine Grundlage. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat bis zur Einreichung des zweiten Fristverlängerungsantrags nicht um eine Zustimmung der Antragstellerin nachgesucht, sondern dies erst am 6.2.2020, mithin nach Fristablauf, nachgeholt. In seinem Schriftsatz vom 24.2.2020 hat er zudem rechtsirrig die Auffassung vertreten, dass § 225 Abs. 2 ZPO anwendbar und eine Zustimmung nicht erforderlich sei.

Überdies traf das OLG auch keine Hinweispflicht hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses für eine über einen Monat hinausgehende Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist. Denn es bestand schon keine zweifelhafte Rechtslage; vielmehr handelt es sich bei § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um geläufige Normen des Beschwerdeverfahrens in Familienstreitsachen, deren Anwendung im vorliegenden Fall keine Zweifelsfragen aufwirft.
BGH online
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