14.04.2023

Verschuldensfrage nach einem Unfall in einer Kletterhalle mit Toprope-Stationen

Wenn der Betreiber einer Kletterhalle Toprope-Stationen einrichtet, verletzt er seine Verkehrssicherungspflicht, zu deren Bestimmung auch die Empfehlungen des Deutschen Alpenvereins (DAV) gehören, wenn er das lose Restseilstück mittels Klebeband am Hauptseil befestigt. Haben in einem solchen Fall ein Kletterer und ein ihn sichernder Kletterpartner den gebotenen Sicherheits-/Partnercheck nicht auf hinreichende Weise vorgenommen und stürzt der Kletterer daher ab, so ist dies im Rahmen eines Mitverschuldens zu berücksichtigen (im konkreten Fall: 50 %).

OLG Saarbrücken v. 24.3.2023, 4 U 12/21
Der Sachverhalt:
Die beklagte GmbH betreibt eine Kletterhalle, in der sie sog. Toprope-Klettern im Rahmen von "Schnuppertagen" angeboten hatte. Beim Toprope-Klettern ist das Seil oben am Routenende in einen sog. Umlenker eingehängt. Der Kletterer und der ihn sichernde Partner binden sich am Boden mit ihrem Klettergurt jeweils in eines der freien Seilenden ein. Der Kletterer fertigt hierzu üblicherweise einen speziellen, hierfür geeigneten Knoten, durch den er ein Seilende an seinem Klettergurt fixiert. Der ihn sichernde Partner verbindet das andere Seilende - zumeist mit einem Sicherungsgerät - mit dem eigenen Klettergurt. Der Kletterer steigt unter Benutzung von in die Wand gebohrten Tritten und Griffen nach oben. Dadurch verkürzt sich sein Abstand zum Umlenkpunkt. Das dadurch schlaff werdende Seil führt der Sichernde durch das Sicherungsgerät und hält es straff, damit ein etwaiger Sturz des Kletterers, falls er abrutscht oder sich nicht halten kann, sogleich abgefangen wird.

Am 20.11.2016 stürzte die bei der Klägerin gesetzlich kranken- bzw. pflegeversicherte Ehefrau des Streithelfers (Versicherte), bei der Nutzung einer Innenkletterwand und erlitt schwere Verletzungen. An der Station, an der sich der Unfall ereignete, war bei der Fertigung des Knotens durch den Geschäftsführer der Beklagten ein längeres freies Seilende verblieben. Der Geschäftsführer hatte das Ende dieses überstehenden Restseilstücks mit Klebeband am tragenden Seil angeklebt. Infolgedessen war zwischen Klebeband und Knoten eine Schlaufe ("Scheinauge") entstanden. Ursächlich für den Absturz war, dass der Karabiner fälschlicherweise in die Schlaufe zwischen Knoten und Abklebestelle geklippt war, sodass die nicht tragfähige Verbindung versagte, als die Versicherte sich in Seil setzte.

Die Klägerin zu 1) erbrachte auf Grund des streitgegenständlichen Unfalls Leistungen i.H.v. 150.388 €. Von diesem Betrag forderte sie aus übergegangenem Recht einen 50-prozentigen Anteil von der Beklagten. Sie war der Ansicht, die Beklagte sei für die erlittenen Verletzungen ihrer Versicherungsnehmerin vertraglich sowie unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung verantwortlich.

Das LG gab der Klage antragsgemäß statt. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die sowohl im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB als auch gem. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB bezüglich der objektiven Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis eines Pflichtverstoßes geführt.

Wenn der Betreiber einer Kletterhalle Toprope-Stationen einrichtet, indem er Seile mit bereits vorgefertigten Knoten und voreingehängten Karabinern einhängt, verletzt er seine Verkehrssicherungspflicht, zu deren Bestimmung auch die Empfehlungen des Deutschen Alpenvereins (DAV) heranzuziehen sind, wenn er das lose Restseilstück mittels Klebeband am Hauptseil befestigt, da hierdurch die Gefahr begründet wird, dass Kletterer sich in ein "falsches Auge" einhängen und abstürzen. Der Verkehrssicherungspflichtige darf sich nicht darauf verlassen, dass die Kletterer ihrerseits die Ausgestaltung des Seils stets mit voller Aufmerksamkeit überprüfen und etwaige Gefahrenquellen erkennen.

Haben in einem solchen Fall ein Kletterer und ein ihn sichernder Kletterpartner den gebotenen Sicherheits-/Partnercheck nicht auf hinreichende Weise vorgenommen und stürzt der Kletterer daher ab, so ist dies im Rahmen eines Mitverschuldens zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall waren dies 50 %. Denn es stand fest, dass vor dem Einstieg der Versicherten in die Kletterroute kein ordnungsgemäßer Sicherheits-/Partnercheck durchgeführt und der streitgegenständliche Unfall dadurch mitverursacht worden war. Nach den Grundsätzen der Haftungs- bzw. Tatbeitrags- oder Zurechnungseinheit sind dabei die Verursachungsbeiträge der beiden Kletterpartner zu einer Einheit zusammenzufassen.

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