06.05.2025

WEG: Streit um neuen Kabelanschluss trotz Wegfall des Nebenkostenprivilegs

Ein Beschluss einer Eigentümergemeinschaft (GdWE) über den Abschluss eines Sammelvertrags mit einem Kabel-Anbieter entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, selbst wenn die vermietenden Eigentümer diese Kosten nicht mehr auf den Mieter umlegen können. Der finanziellen Belastung stehen die Interessen der am Weiterbezug des Kabel-Signals interessierten Wohnungseigentümer und deren Entlastung gegenüber.

AG Hamburg v. 17.1.2025 - 980b C 24/24 WEG
Der Sachverhalt:
Die beklagte Eigentümergemeinschaft (GdWE) hatte in einer Eigentümerversammlung den Abschluss eines neuen Signallieferungsvertrages mit einem Kabel-Anbieter zwecks Empfangs von Kabelfernsehen mit einer Laufzeit vom 1.7.2024 bis zum 30.6.2029 beschlossen. Die Kosten je Wohnung und Monat sollten sich dabei auf 2,26 € belaufen. Der Abschluss eines neuen (individuellen) monatlich kündbaren Vertrages für den Empfang von Kabelfernsehen wäre (in der Grundversorgung mit 350 Sendern) mit Kosten von 4,90 € pro Monat und Wohnung verbunden gewesen.

Der Kläger, selbst Wohnungseigentümer, hat den Beschluss angefochten. Die Gemeinschaft sei nicht (mehr) berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss vermietenden Eigentümern und Eigentümern, die aus anderen Gründen kein Kabelfernsehen nutzen würden, Kosten für den Empfang von Kabelfernsehsignalen aufzubürden. Der Beschluss diene ausschließlich den Interessen der Eigentümer, die ihre Wohnungen nicht vermieten und selbst Kabelfernsehen nutzen, und nicht dem Interesse aller Wohnungseigentümer. Dem Kläger sei es mit der Abschaffung des sog. Nebenkostenprivilegs und der Änderung des § 2 Nr. 15 BetrKV zum 1.7.2024 verwehrt, die Kosten des Signallieferungsvertrags auf die Mieter umzulegen.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der angefochtene Beschluss widersprach nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.

Die Wohnungseigentümer hatten in der Versammlung betreffend dem Abschluss eines neuen Sammelvertrags mit der ganzen Gemeinschaft zu veränderten Konditionen - ermessensfehlerfrei - von ihrer Beschlusskompetenz aus §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 WEG Gebrauch gemacht und damit im vorliegenden Fall insbesondere die Rechte des Klägers aus § 18 Abs. 2 WEG, von der GdWE eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen zu können, die dem Interesse der GdWE nach billigem Ermessen entspricht (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung), nicht verletzt.

Ordnungsmäßiger Verwaltung i.S.d. §§ 18, 19 WEG entsprechen solche Maßnahmen, die bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls dem geordneten Zusammenleben der Gemeinschaft dienen, den Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen und der Gemeinschaft nützen. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen. Das Gericht ist gehalten, den Spielraum, den die (Mehrheit der) Eigentümer haben (bzw. hat), zu respektieren; sofern eine aus Sicht der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen "vertretbare" Lösung in Form einer verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen Mehrheitsentscheidung gefunden ist, hat es nicht in das aus einer demokratischen Mehrheitsentscheidung wurzelnde Selbstorganisationsrecht einzugreifen.

Zwar ist das sog. Neben- oder Betriebskostenprivileg zum 1.7.2024 weggefallen. Schließt die Gemeinschaft nach dem 1.7.2024 aber einen neuen Signallieferungsvertrag ab, trifft die vermietenden Wohnungseigentümer (erneut) eine Kostentragungspflicht, ohne dass sie diese Kosten wie bisher und ohne weiteres (bspw. auf der Grundlage einer gesonderten Vereinbarung) auf ihre Mieter umlegen können. Maßgebend sei, dass durch den neue Signallieferungsvertrag für diejenigen Wohnungseigentümer, die von dem Angebot Gebrauch machen wollen, eine monatliche Ersparnis von mehr als 50 % erreicht werden kann (2,26 € pro Monat und Wohnung anstatt 4,90 €), und sich die Kostenbelastung der (vermietenden) Eigentümer, die sich daran nicht beteiligen wollen (2,26 € pro Monat und Wohnung), sowohl für sich genommen als auch im Verhältnis zum Gesamtvolumen der gemeinschaftlichen Kosten als vergleichsweise sehr gering darstellen. Selbst wenn der Kläger die jährlichen Gesamtkosten von 54,24 € (2x 12x 2,26 €) nicht mehr auf die Mieter umlegen kann, stehen dieser finanziellen Belastung die Interessen der am Weiterbezug des Kabel-Signals interessierten Wohnungseigentümer und deren Entlastung gegenüber.

Mehr zum Thema:

Beratermodul Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht finden Praktiker in diesem Beratermodul. Jetzt neu und zusätzlich mit der GVRZ - Zeitschrift für das gesamte Verfahrensrecht! 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Die perfekte Datenbank zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht: Mit diesem spezifischen Beratermodul holen Sie das Beste für Ihre Mandanten heraus. Mit zahlreichen Formularen und Mustertexten. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
AG Hamburg-St. Georg