22.01.2025

WEG: Verzicht Alternativangebote mit Verweis auf "die besondere Situation im Handwerkerbereich"?

"Wegen der besonderen Situation am Handwerkermarkt" können die Wohnungseigentümer nicht auf das Erfordernis von Vergleichsangeboten verzichten, wenn diese erforderlich sind, um die Ermessensentscheidung auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Von dem Erfordernis der Alternativangebote bestehen Ausnahmen, wenn das Auftragsvolumen gering ist oder sich das Angebot im Rahmen des Üblichen bewegt. Maßgeblich ist dabei stets eine Einzelfallbetrachtung.

LG Frankfurt a.M. v. 1.8.2024 - 2-13 S 23/24
Der Sachverhalt:
In der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten war u.a. unter Tagesordnungspunkt (TOP) 10 eine "Besprechung und Beschlussfassung zur Beseitigung der Pflasterabsenkungen und Stolperfallen" angekündigt. Die Eigentümer fassten dazu den Beschluss, ein Angebot eines Unternehmens, das den Eigentümern mit der Einladung übersandt worden war, mit einer Bruttoendsumme i.H.v. 4.727 € für die Pflasterabsenkungen anzunehmen. Der Beschluss enthielt zudem folgenden Passus: "Die Gemeinschaft verzichtet aufgrund der besonderen Umstände im Handwerksbereich auf weitere Angebote zumal die Firma ... bereits die anderen Senkungen beseitigt hat." Im Protokoll wurde mitgeteilt, dass dieses Unternehmen bereits die gröbsten Pflasterabsenkungen im letzten Jahr beseitigt habe, es seien aber noch weitere Pflasterabsenkungen zu beseitigen. Zwei andere Firmen seien angefragt worden, hätten aber kein Angebot abgegeben.

Hiergegen wandte sich der Kläger. Er war der Ansicht, es hätte der Einholung weiterer Angebote bedurft, um eine Entscheidung auf ausreichender Tatsachengrundlage treffen zu können. Die Beklagte verwies indes darauf, dass bei einem Wirtschaftsplanvolumen von etwa 500.000 € die Aufträge weit unterhalb von 5 % des Wirtschaftsplans lägen, insoweit seien Alternativangebote entbehrlich.

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Beschlüsse für ungültig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 10 entsprach noch ordnungsmäßiger Verwaltung, insbesondere bestand keine Pflicht, noch weitere Alternativangebote einzuholen.

Zwar sind grundsätzlich Alternativangebote bei der Beauftragung von nicht geringfügigen Erhaltungsmaßnahmen erforderlich, doch sind sie kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, die Entscheidung auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Dafür muss ein Bedürfnis bestehen, z.B. bei der Neubestellung des Verwalters sowie bei nicht unerhebliche Baumaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum.

Alternativangebote sind auch nicht mit dem Verweis auf "die besondere Situation im Handwerkerbereich" entbehrlich. Zwar können die Wohnungseigentümer vor der Auftragsvergabe auch festlegen, wieviel Angebote der Verwalter einholen muss. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Zweck solcher Alternativangebote verfehlt wird, nämlich den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen

Alternativangebote können etwa entbehrlich sein, wenn es dem Verwalter trotz Bemühungen nicht gelungen ist, Angebote zu erlangen. Erforderlich sind aber weitere Informationen, etwa zur Eilbedürftigkeit. Von dem Erfordernis der Alternativangebote bestehen Ausnahmen, wenn das Auftragsvolumen gering ist oder sich das Angebot im Rahmen des Üblichen bewegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gemeinschaft die Möglichkeit hat, das eine Angebot sachgerecht einzuordnen und/oder der Beschluss lediglich geringfügige Kosten auslöst. Maßgeblich ist dabei stets eine Einzelfallbetrachtung, wobei die finanzielle Belastung in Relation zu den finanziellen Dimensionen der jeweiligen Gemeinschaft gesehen werden muss; feste Beträge sind nicht geeignet.

Die Belastung für den einzelnen Wohnungseigentümer lag hier bei unter 1 % der Wirtschaftsplansumme. Hinzu kam, dass das Unternehmen bereits im Vorjahr für die Gemeinschaft tätig war. Damit war den Eigentümern bekannt gewesen, wie das beauftrage Unternehmen arbeitet und sie konnten insoweit auch ohne Alternativangebote das vorliegende Angebot einordnen.

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