01.08.2023

Welches Rechtsmittel gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde?

Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt keinen Begründungsmangel dar und kann deshalb nicht mit Erfolg gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

BGH v. 1.6.2023 - I ZB 65/22
Der Sachverhalt:
In dem Rechtsstreit stehen sich die Wort-Bild-Markenwörter "SILVER HORSE" und "POWER HORSE" gegenüber. Die Marke "SILVER HORSE" ist seit 2013 als eingetragene Wort-Bild-Marke in der Klasse "Alkoholfreie Getränke" geschützt. Gegen die Eintragung der Marke hat die Widersprechende aus der 2011 registrierten Wort-Bild-Marke "POWER HORSE" Widerspruch erhoben, die für die EU für Waren der Klasse "Non-alcoholic drinks" Schutz genießt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt wies den Widerspruch 2017 zurück. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs zu löschen.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine mangelnde Begründung der Entscheidung und eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör rügt.

Der BGH hat die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss Marken-Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts zwar für statthaft befunden, aber als unbegründet zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Statthaftigkeit der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf einen Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen. Weder leidet die angegriffene Entscheidung an einem Begründungsmangel noch ist der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Die angegriffene Entscheidung leidet nicht unter einem Begründungsmangel iSv § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG.

Die Beanstandung der Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe die für seine Entscheidung maßgebliche Beurteilung der Zeichenähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auf die Rechtsfigur der "komplexen Markenähnlichkeit oder Verwechslungsgefahr" gestützt, ohne dass der BGH bislang Gelegenheit gehabt habe, diese Rechtsfigur einer rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen, trifft zwar inhaltlich zu.

Bislang hat das Bundespatentgericht die Frage, ob die von ihm entwickelte Rechtsfigur der komplexen Markenähnlichkeit, wonach die Kumulation einer je einzeln an sich nicht ausreichenden Annäherung in mehreren Richtungen (Klang, Begriff, Schriftbild und Zeichenaufbau) zur Verwechslungsgefahr im Sinne des Markengesetzes führen kann, dem BGH nicht zur rechtlichen Überprüfung zugänglich gemacht. Diese Frage ist vielmehr seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes im Jahr 1994 ungeklärt.

Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt jedoch keinen Begründungsmangel iSv § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG dar. Der Sache nach macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe das Recht der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es seine Entscheidung auf eine ausschließlich von Senaten des Bundespatentgerichts vertretene Rechtsansicht gestützt, die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und damit die maßgebliche verfahrensrechtliche Vorschrift (hier: § 83 Abs. 2 MarkenG) in unhaltbarer Weise gehandhabt habe.

Liegt wie im Streitfall eine Rechtsmittelzulassung objektiv nahe und finden sich weder in der Entscheidung noch anderweitig Anhaltspunkte zu Überlegungen des Gerichts, warum es in möglicherweise sachlich gerechtfertigter Weise von der Zulassung abgesehen hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich von einer verfassungswidrigen Nichtzulassung auszugehen (zur unterbliebenen Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG vgl. BVerfG, FamRZ 2019, 1643, Rn 11).

Ein solcher Vorwurf kann mit der Rüge einer fehlenden Begründung der Entscheidung gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

Der Markeninhaberin wurde im Verfahren vor dem Bundespatentgericht auch nicht das rechtliche Gehör iSv § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG versagt.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Verletzung der Rechtsschutzgarantie durch Nichtzulassung der Revision im Zivilprozess trotz Divergenz zu höchstrichterlicher Rechtsprechung
BVerfG vom 13.4.2023 - 1 BVR 667/22

Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. 4 Wochen gratis nutzen!
 
BGH online
Zurück