11.06.2018

Wohnungsgenossenschaft muss Auseinandersetzungsguthaben an Insolvenzverwalter auszahlen

Eine Wohnungsgenossenschaft kann sich gegenüber dem Insolvenzverwalter, der die Mitgliedschaft des Schuldners in der Wohnungsgenossenschaft wirksam gekündigt hat, nicht auf eine Satzungsbestimmung berufen, nach der der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses oder der Rückgabe des Nutzungsobjekts besteht, wenn dadurch die Auszahlung tatsächlich ausgeschlossen wird, ohne dass dies durch schützenswerte Interessen der Genossenschaft oder des Schuldners gerechtfertigt ist.

BGH 26.4.2018, IX ZR 56/17
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Wohnungsgenossenschaft. Der Schuldner trat ihr am 20.10.2009 bei, zeichnete 62 Pflichtanteile zu je 150 € und bezog eine Genossenschaftswohnung. Auf die Pflichtanteile leistete er Raten i.H.v. insgesamt 2.900 €. Auf Antrag des Schuldners eröffnete das Insolvenzgericht am 16.5.2011 das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Treuhänder. Am gleichen Tag schlossen der Schuldner und die Beklagte einen Dauernutzungsvertrag über eine andere kleinere Wohnung der Beklagten. Das als Nutzungsgebühr (Kaltmiete) vereinbarte Entgelt betrug 284,62 €. Der Schuldner kündigte aufgrund des Umzugs in die neue Wohnung 35 Genossenschaftsanteile. Danach verblieben 27 Pflichtanteile zu je 150€.

Der Kläger kündigte die Geschäftsanteile des Schuldners und bat um Auszahlung der erbrachten Ratenzahlungen i.H.v. 2.900 €. Da der Schuldner jedoch die Genossenschaftswohnung weiter nutzte, lehnte die Beklagte die Auszahlung unter Berufung auf § 12 Nr. 5 ihrer Satzung ab. Danach besteht ein Anspruch des Ausgeschiedenen auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses bzw. der Rückgabe des Nutzungsobjekts.

Die auf Auszahlung des Guthabens i.H.v. 2.900 € gerichtete Klage hatte vor dem AG Erfolg. Das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH ebenso keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Kündigung des Klägers ist wirksam. § 67c Abs. 1 Nr. 1 GenG ist erst auf nach dem 15.7.2013 ausgesprochene Kündigungen von Wohnungsgenossenschaften anwendbar. Der Kläger kann die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens verlangen. Die Beklagte kann sich gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht auf § 12 Nr. 5 ihrer Satzung berufen.

Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Mitgliedschaft des Schuldners in der Genossenschaft zu kündigen. Es handelt sich dabei um zwingendes Recht. Das Auseinandersetzungsguthaben nach Kündigung gehört zur Insolvenzmasse. Auch dabei handelt es sich um zwingendes Recht. Der Insolvenzverwalter hat sich aber grundsätzlich bei der Geltendmachung der dem Schuldner zustehenden Ansprüche an die Satzungsbestimmungen zu halten. Dies gilt jedoch nicht einschränkungslos. Das Kündigungsrecht soll den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit geben, das Auseinandersetzungsguthaben zu verwerten. Eine Satzungsregelung, die diese gesetzlich vorgesehene Verwertungsmöglichkeit vereitelt, indem sie die Auszahlung tatsächlich dauerhaft ausschließt, ohne dass dies durch schützenswerte Interessen der Genossenschaft oder des Schuldners gerechtfertigt ist, kann dem wirksam kündigenden Insolvenzverwalter nicht entgegen gehalten werden. Sie unterliegt der Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB.

Im Streitfall hält § 12 Nr. 5 de Satzung der Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB nicht stand. Die Regelung macht die Wirkungen der Kündigung davon abhängig, dass der ausscheidende Genosse seine Verpflichtungen gegenüber der Genossenschaft erfüllt. Sie begrenzt die Auszahlung weder in der Höhe noch in der zeitlichen Dauer, sondern sieht für den Insolvenzverwalter dauerhaft keine Möglichkeit, die Fälligkeit herbeizuführen. Damit kann er seinen Auszahlungsanspruch trotz wirksamer Kündigung dauerhaft nicht durchsetzen, solange das Nutzungsverhältnis fortbesteht oder der Schuldner die Wohnung nicht räumt. Der Insolvenzverwalter hat keine Möglichkeit, die Räumung oder Herausgabe der Genossenschaftswohnung gegen den Willen des Schuldners durchsetzen. Es ist ihm gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO verwehrt, ein Mietverhältnis über eine Wohnung des Schuldners zu kündigen. Es hängt damit vom Willen des Schuldners ab.

Darüber hinaus bestehen keine schützenswerten Interessen der Genossenschaft, die es rechtfertigen, den Auszahlungsanspruch dauerhaft unbegrenzt auszuschließen. Die Klausel dient nicht dazu, die Liquidität oder das Eigenkapital der Genossenschaft zu schützen. Auch andere Interessen rechtfertigen keine derartige Einschränkung. Die Interessen des Schuldners rechtfertigen eine ebenso keine Regelung wie § 12 Nr. 5 der Satzung. Die Regelung dient nicht dem Schutz des Wohnungserhalts, sondern verhindert lediglich die Auszahlung.

Die Klausel § 12 Nr. 5 der Satzung ist daher insgesamt unwirksam.

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