17.01.2022

Zu den Wirkungen eines Anerkenntnisses

Ein Anerkenntnis beendet den Prozess nicht unmittelbar mit der Folge, dass dem Gericht wie bei einer Klagerücknahme die Möglichkeit zu entscheiden genommen ist. Erst die aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt die Hauptsache.

BGH v. 19.10.2021 - VI ZR 1173/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Ein Zug der Klägerin war auf einen Omnibus der Beklagten aufgefahren, nachdem dieser einen Bahnübergang nicht rechtzeitig hatte verlassen können.

Nach teilweiser Zahlung stritten die Beteiligten noch um eine Schadensersatzsumme i.H.v. ca. 315.000 €. Das LG wies die Klage ab.

Mit der Berufung beantragte die Klägerin - unter dem Vorbehalt der Erweiterung des Rechtsmittels - zunächst lediglich, die Beklagten zur Zahlung von Reparaturkosten für einen Doppelstockwagen i.H.v. ca. 20.000 € zu verurteilen.

Nachdem die Beklagten diesen Anspruch anerkannten, hat die Klägerin am selben Tag ihren Berufungsantrag erweitert und beantragt, das Urteil des LG insgesamt abzuändern und die Beklagten entsprechend ihrem erstinstanzlichen Antrag (315.000 €) zu verurteilen.

Das OLG hat mit Anerkenntnisurteil die Beklagten zur Zahlung der 20.000 € verurteilt. Die Beklagten seien lediglich ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Über den erweiterten Berufungsantrag der Klägerin sei nicht mehr zu entscheiden, da die Beklagten dem Berufungsgericht durch das zeitlich vor dem erweiterten Berufungsantrag eingegangene Anerkenntnis die Entscheidung über den Streitgegenstand entzogen hätten. Die Berufungserweiterung sei gegenstandslos, da aufgrund des Anerkenntnisses keine Berufung mehr bestanden habe, die hätte erweitert werden können.

Der BGH hat das Anerkenntnisurteil aufrechterhalten, die Entscheidung des OLG jedoch insoweit aufgehoben, als nicht über den erweiterten Berufungsantrag entschieden wurde.

Die Gründe:
Das Anerkenntnis der Beklagten hat dem OLG "den Streitgegenstand" nicht "entzogen". Es hat nur den Streit um die Begründetheit des anerkannten Anspruchs zwischen den Parteien beendet.

Die Klägerin war durch das Anerkenntnis nicht daran gehindert, ihren Berufungsantrag zu erweitern. Ein Anerkenntnis beendet den Prozess nicht unmittelbar mit der Folge, dass dem Gericht wie bei einer Klagerücknahme die Möglichkeit zu entscheiden genommen ist. Erst die aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt die Hauptsache.

Durch die zunächst nur teilweise Anfechtung des landgerichtlichen Urteils war die Klägerin nicht gehindert, ihren Berufungsantrag zu erweitern. Die Teilanfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch die Klägerin hat die Rechtskraft dieses Urteils insgesamt gehemmt (§ 705 ZPO). Einer Erweiterung der Berufungsanträge hätte nur dann die teilweise Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils entgegengestanden, wenn ein Schriftsatz der Klägerin eine Beschränkung im Sinne eines teilweisen Rechtsmittelverzichts enthalten hätte, was hier nicht der Fall war.

Die Klägerin war auch in zeitlicher Hinsicht nicht gehindert, ihren Berufungsantrag zu erweitern. Eine Erweiterung des Berufungsantrags ist grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht möglich.

Zwar hat das Berufungsgericht nach Eingang des Anerkenntnisses den für denselben Tag anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben; da das Anerkenntnis den Rechtsstreit jedoch nicht beendet hat, war die Klägerin weder durch das Anerkenntnis noch durch die Terminsaufhebung an der Erweiterung ihres Berufungsantrags gehindert.

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