09.05.2023

Zulässige Berufung trotz falschem Aktenzeichen und Verkündungsdatum

Wenn in einer Berufungsschrift, der das angefochtene Urteil nicht beigefügt ist, das Aktenzeichen und das Verkündungsdatum nicht oder nicht zutreffend angegeben sind, steht dies der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen, sofern das Berufungsgericht und die gegnerische Partei anhand der innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen das angefochtene Urteil dennoch zweifelsfrei bestimmen können.

BGH v. 14.3.2023 - X ZB 4/22
Der Sachverhalt:
Die klagende Partei wendet sich dagegen, dass sie bei der Nutzung von Angeboten der beklagten Vertriebsgesellschaft der Deutschen Bahn zwischen einer Anrede als Herr oder Frau auswählen muss und in Fahrkarten und sonstigen Schreiben sowie in gespeicherten Daten als Herr oder Frau bezeichnet wird. Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung; soweit die Klage auf Zahlung einer Entschädigung gerichtet war, hatte sie keinen Erfolg. Das Urteil wurde der klagenden Partei am 9.9. und der Beklagten am 10.9.2021 zugestellt.

Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 22.9.2021 Berufung ein. In dem Schriftsatz werden die Parteien und das erstinstanzliche Gericht zutreffend bezeichnet. Die Angaben zum Aktenzeichen (2-13 O 154/20 statt 230 O 154/20), zum Verkündungsdatum (26.7. statt 26.8.2021) und zum Zustellungsdatum (9. statt 10.9.2021) sind fehlerhaft. Eine Kopie der angefochtenen Entscheidung war dem Schriftsatz nicht beigefügt. Auf die Aktenanforderung des OLG teilte das LG am 12.10.2021 mit, das angegebene Aktenzeichen sei unzutreffend. Am Tag darauf teilte das Büro der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf telefonische Anfrage das korrekte Aktenzeichen mit. Die klagende Partei legte am 6.10.2021 ebenfalls Berufung ein. Sie hat ihr Rechtsmittel später zurückgenommen.

Das OLG wies den von der Beklagten am 15.11.2021 vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des angefochtenen Urteils so genau angeben, dass keine Zweifel über die Identität des Urteils entstehen können.

Für die vollständige Bezeichnung eines Urteils ist grundsätzlich die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erforderlich. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsschrift der Beklagten nicht. Sowohl das Verkündungsdatum als auch das Aktenzeichen sind darin nicht zutreffend angegeben.

Nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, führt jedoch zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird.

Wenn das Aktenzeichen nicht oder nicht zutreffend angegeben ist, so kommt dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu, sofern das Berufungsgericht und die gegnerische Partei anhand der innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen das angefochtene Urteil dennoch zweifelsfrei bestimmen können. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 519 Berufungsschrift
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

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