08.07.2025

Zum Anspruch werdender Wohnungseigentümer auf Beseitigung rechtswidriger baulicher Veränderungen

Auch sog. werdenden Wohnungseigentümern kann im Innenverhältnis ein Anspruch auf Beseitigung rechtswidriger baulicher Veränderungen zustehen, dessen Ausübung seit dem 1.12.2020 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgt. Der teilende Bauträger handelt bei der Errichtung der Anlage nicht als Wohnungseigentümer, sondern in Erfüllung seiner im Verhältnis zu den Erwerbern bestehenden vertraglichen Verpflichtungen. Errichtet der teilende Bauträger die Anlage nicht plangerecht, stehen den Erwerbern nur vertragliche Ansprüche zu, nicht aber Ansprüche wegen einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des (werdenden) Wohnungseigentums i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB; das gilt auch dann, wenn der teilende Bauträger weiterhin eingetragener Eigentümer einer oder mehrerer Einheiten ist und er das gemeinschaftliche Eigentum im räumlichen Bereich dieser Einheiten abredewidrig errichtet.

BGH v. 16.5.2025 - V ZR 270/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Kläger haben ihr Wohnungseigentum von der Beklagten, die das Grundstück geteilt und die Anlage als Bauträgerin errichtet hat, erworben. Die Beklagte ist u.a. Teileigentümerin einer als Restaurant verpachteten Gewerbeeinheit.

Im Zuge der Errichtung der Anlage baute die Beklagte für diese Einheit unter Nutzung des Gemeinschaftseigentums eine Lüftungsanlage, ein Kühlaggregat, einen Ventilator und einen Flüssiggastank ein. Zum Zeitpunkt dieser Einbauten waren zugunsten der Kläger jeweils Auflassungsvormerkungen eingetragen, und der Kläger zu 2) - jedenfalls bei Einbau der Lüftungsanlage am 29.6.2017 auch der Kläger zu 3) - hatte Besitz an seiner Sondereigentumseinheit erlangt. Am 30.6.2017 wurde die Anlage eingeweiht. Im August 2017 unterschrieben die Kläger zu 2) und 3) ein Abnahmeprotokoll bzgl. der Gemeinschaftsflächen. Mit ihrer im Jahr 2019 erhobenen, auf wohnungseigentumsrechtliche Ansprüche gestützten Klage verlangen die Kläger, soweit noch von Interesse, die Beseitigung der vorbezeichneten Einbauten.

Das AG wies die Klage insoweit durch Teilurteil ab; durch Schlussurteil entschied es über die Kosten. Das LG gab der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des LG auf, verwarf die Berufung des Klägers zu 1) als unzulässig und wies die Berufungen der Kläger zu 2) und 3) zurück.

Die Gründe:
Die Revision macht zutreffend geltend, dass die Berufung des Klägers zu 1) gegen das klageabweisende Teilurteil des AG bereits unzulässig ist. Den zulässigen Berufungen der Kläger zu 2) und 3) gegen das amtsgerichtliche Teilurteil hat das LG zu Unrecht stattgegeben. 

Entgegen der Auffassung des LG haben die Kläger zu 2) und 3) keinen aus ihrem Wohnungseigentum folgenden Anspruch gegen die Beklagte auf Beseitigung der Lüftungsanlage, des Kühlaggregats, des Ventilators und des Flüssiggastanks gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG a.F. Eventuelle werkvertragliche Ansprüche sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Ein Beseitigungsanspruch scheitert hier nicht schon daran, dass die Kläger zu 2) und 3) zum Zeitpunkt des Einbaus mangels Eintragung in das Grundbuch noch kein Wohnungseigentum erlangt hatten. Denn auch sogenannten werdenden Wohnungseigentümern kann, wovon das LG ebenfalls ausgeht, im Innenverhältnis ein Anspruch auf Beseitigung rechtswidriger baulicher Veränderungen entsprechend § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG a.F. zustehen, dessen Ausübung allerdings seit dem 1.12.2020 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgt.

Rechtsfehlerhaft bejaht das LG aber Ansprüche gegen die Beklagte aus § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG a.F., auch wenn diese (weiterhin) im Grundbuch eingetragenes Mitglied der GdWE ist. Richtig ist allerdings, dass die Verwaltungsmacht des teilenden Bauträgers durch die vorverlagerte Anwendung des WEG beschränkt wird. Zwar ist der teilende Bauträger auch nach Entstehung einer werdenden GdWE noch Alleineigentümer und kann als solcher grundsätzlich nach Belieben mit dem Grundstück verfahren (§ 903 Satz 1 BGB). Sein Verhalten muss er aber fortan (auch) daran ausrichten, dass es Dritte mit einer rechtlich verfestigten Erwerbsposition gibt, die mit Blick auf die (nach altem Recht) entstandene werdende GdWE bereits an der Bewirtschaftung und Verwaltung mitwirken sollen, und zwar nach den Regeln, deren Geltung die Beteiligten im Innenverhältnis ohnehin anstreben, um auf diese Weise einen möglichst frühzeitigen Übergang der Entscheidungsmacht des teilenden Eigentümers auf die Erwerber zu erreichen.

Das führt aber nicht dazu, dass der teilende Bauträger bei den Baumaßnahmen, die er nach der Entstehung einer werdenden GdWE im Zuge der Errichtung der Anlage vornimmt, dem Regime des § 22 WEG a.F. (§ 20 WEG n.F.) unterworfen wäre und etwa vorab jeweils die Zustimmung der werdenden Wohnungseigentümer einholen - bzw. nach neuem Recht einen Gestattungsbeschluss erwirken - müsste, widrigenfalls er sich während der Errichtungsphase Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB ausgesetzt sähe. Denn der teilende Bauträger handelt bei der Errichtung der Anlage auch nach Entstehung der (werdenden) GdWE nicht in seiner Eigenschaft als Wohnungseigentümer, sondern in Erfüllung seiner im Verhältnis zu den Erwerbern bestehenden vertraglichen Verpflichtungen. Errichtet der teilende Bauträger die Anlage nicht plangerecht, stehen den Erwerbern nur vertragliche Ansprüche zu, nicht aber Ansprüche wegen einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des (werdenden) Wohnungseigentums i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB; das gilt auch dann, wenn der teilende Bauträger weiterhin eingetragener Eigentümer einer oder mehrerer Einheiten ist und er das gemeinschaftliche Eigentum - wie es hier möglicherweise der Fall ist - im räumlichen Bereich dieser Einheiten abredewidrig errichtet.

Im Ausgangspunkt erkennt das LG, dass die erstmalige Errichtung der Anlage durch den Bauträger von der baulichen Veränderung abzugrenzen ist. Es kommt auch selbst zu dem Zwischenergebnis, dass eigentlich (nur) eine von der ursprünglichen Planung abweichende Ausführung in Rede steht, die grundsätzlich keine bauliche Veränderung darstellt. Sodann meint es aber, dies sei anders zu beurteilen und bauliche Veränderungen lägen (doch) vor, wenn der teilende Bauträger nach Entstehung der werdenden GdWE von der ursprünglichen - auch an einer in der Teilungserklärung in Bezug genommenen Baubeschreibung zu messenden - Planung abweiche. Das ist nicht richtig. Hier hat die Beklagte die fraglichen Einbauten als teilende Bauträgerin noch während der Errichtungsphase vorgenommen. Sie sind deshalb - unabhängig davon, ob sie planwidrig erfolgt sind - keine baulichen Veränderungen i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG a.F. (§ 20 Abs. 1 WEG n.F.) und begründen auch bei Fehlen einer Zustimmung der Kläger zu 2) und 3) keine Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB.

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Abramenko in Jennißen, WEG, Kommentar, 8. Auflage
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Kommentierung | WEG
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