26.02.2024

Zur Anfechtung einer in den 1980er Jahren gerichtlich protokollierten Vereinbarung nach § 1934d BGB a.F.

Eine im Jahr 2023 erklärte Anfechtung einer gerichtlich protokollierten Vereinbarung nach § 1934d BGB a.F. aus dem Jahr 1982 wegen arglistiger Täuschung ist nach § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines solchen Vergleichs nach § 138 Abs. 1 BGB ist die gesetzliche Bemessungsgrundlage des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs des nichtehelichen Kindes nach § 1934d Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen. Es ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Erben gegenüber dem nichtehelichen Kind auf die Wirkungen des § 1934e BGB a.F. berufen.

OLG Karlsruhe v. 19.2.2024 - 14 W 93/23 (Wx)
Der Sachverhalt:
Der 1929 geborene K (Erblasser) verstarb am 20.11.2022. Der Erblasser war seit 1962 in einziger Ehe mit der 2013 verstorbenen I verheiratet. Aus der Ehe gingen die Beteiligten zu 1) und zu 3) als Abkömmlinge hervor. Die 1957 geborene Beteiligte zu 2) entstammt einer vorehelichen Beziehung des Erblassers mit BK. Der Erblasser hatte die Vaterschaft der Beteiligten zu 2) anerkannt. In den 1980er Jahren nahm die Beteiligte zu 2) den Erblasser im Klagewege gem. § 1934d BGB in der Fassung des BGB bis 1.4.1998 (a.F.) auf vorzeitigen Erbausgleich in Anspruch. Mit gerichtlichem Vergleich vom 29.4.1982 vor dem LG verpflichtete sich der Erblasser zur Abgeltung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs zur Zahlung von insgesamt 8.000 DM. Der Erblasser hat keine letztwillige Verfügung hinterlassen.

Der Beteiligte zu 3) beantragte am 20.2.2023 einen Erbschein, der die Beteiligten zu 1) und 3) als Miterben zu je 1/2 nach dem Erblasser ausweisen soll. Die Beteiligte zu 2) beantragte demgegenüber die Erteilung eines Erbscheins, nach dem die Beteiligten als Miterben zu je 1/3 nach dem Erblasser berufen seien. Sie macht geltend, der gerichtliche Vergleich vom 29.4.1982 sei nichtig. Sie beruft sich auf die mit Schreiben vom 31.5.2023 gegenüber den Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 erklärte Anfechtung des Vergleichs vom 29.4.1982 wegen arglistiger Täuschung. Der Erblasser habe die Beteiligte zu 2) bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs über seine tatsächlichen Einkünfte und seine Vermögenslage getäuscht und eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Das AG wies den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurück und erachtete die zur Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag des Beteiligten zu 3) erforderlichen Tatsachen für festgestellt, wonach die Beteiligten zu 1) und 3) Miterben zu je 1/2 nach K geworden sind. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Vergleich vom 19.4.1982 ist materiell-rechtlich wirksam.

Die Beteiligte zu 2) war zum Abschlusszeitpunkt 24 Jahre alt, hatte mithin das 21., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet, § 1934d Abs. 1 BGB a.F. Die von der Beteiligten zu 2) am 31.5.2023 gegenüber den Beteiligten zu 1) und 3) erklärte Anfechtung des Vergleichs vom 29.4.1982 wegen arglistiger Täuschung ist nach § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen und hat nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB zu dessen rückwirkender Nichtigkeit geführt. Die maßgebliche Anfechtungsfrist ist am 31.12.2011 abgelaufen. Die Anfechtung wurde (erst) am 31.5.2023 erklärt und war verfristet.

Der Vergleich vom 29.04.1982 ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen die guten Sitten verstößt. Verstößt das Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, das diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierbei ist der aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmende Gesamtcharakter des Verhaltens maßgeblich. Je nach Einzelfall kann sich die Sittenwidrigkeit bereits aus einem dieser Elemente oder aus einer Kombination mehrerer Elemente und deren Summenwirkung ergeben.

Nach diesen Maßstäben ist der Vergleich vom 29.4.1982 weder nach seinem Inhalt noch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der feststellbaren Gesinnung des Erblassers sittenwidrig. Der im Vergleich vom 29.4.1982 vereinbarte Zahlbetrag von 8.000 DM orientiert sich am gesetzlichen Maßstab von § 1934d Abs. 2 Satz 1 BGB a.F., wonach sich der Ausgleichsbetrag auf das Dreifache des Unterhalts beläuft, den der Vater dem Kind im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, in denen es voll unterhaltsbedürftig war, jährlich zu leisten hatte.

Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines solchen Vergleichs wie dem vorliegenden nach § 138 Abs. 1 BGB ist die gesetzliche Bemessungsgrundlage des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs des nichtehelichen Kindes nach § 1934d Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen. Es ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Erben, wie hier, gegenüber dem nichtehelichen Kind auf die Wirkungen des § 1934e BGB a.F. berufen.

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