05.05.2023

Zur Auslegung und Umdeutung von Verfahrenserklärungen in einer Säumnislage

Wird in einem Verbundbeschluss inhaltlich eine auf Säumnis beruhende Teilentscheidung in einer Unterhalts- oder Güterrechtsfolgesache getroffen, steht dem säumigen Beteiligten insoweit allein der Einspruch gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 338 ZPO als Rechtsbehelf zur Verfügung. Dagegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde insoweit gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 514 Abs. 1 ZPO unstatthaft.

BGH v. 29.3.2023 - XII ZB 409/22
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde gegen einen im Scheidungsverbundverfahren ergangenen Teilversäumnisbeschluss zum nachehelichen Unterhalt. Die Beteiligten sind inzwischen rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Der Antragsgegner machte im Scheidungsverbund die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig. Zum Verhandlungstermin am 19.8.2021 erschien der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nach telefonischer Ankündigung einer verkehrsbedingten Verspätung nicht innerhalb der von ihm mitgeteilten Zeit 20 Minuten nach der Terminsstunde. Daraufhin beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners u.a. die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt i.H.v. mtl. 642 € und insoweit Erlass eines Teilversäumnisbeschlusses.

Das AG bestimmte hierauf Termin zur Verkündung einer Entscheidung. Nach Eintreffen beim AG mit 40-minütiger Verspätung stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter Erläuterung der Gründe für seine Verspätung zu richterlichem Protokoll den Antrag, der Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Weiter beantragte er, den Antrag auf Erlass eines Versäumnisbeschlusses in der Folgesache nachehelicher Unterhalt zurückzuweisen und die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen sowie hilfsweise den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt durch unechten Versäumnisbeschluss zurückzuweisen.

Das AG hat mit am 9.9.2021 verkündetem Teilversäumnis- und Schlussbeschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und die Antragstellerin insoweit durch Teilversäumnisbeschluss verpflichtet, an den Antragsgegner ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von mtl. 642 € zu bezahlen. Gegen diesen ihr am 16.9.2021 zugestellten Beschluss legte die Antragstellerin mit am 7.10.2021 beim AG eingegangenem Schriftsatz Beschwerde ein, dies hinsichtlich der Folgesache nachehelicher Unterhalt "im Wege der Erweiterung und Anschließung gem. § 145 Abs. 1 FamFG". Das OLG verwarf die Beschwerde, soweit über den Antrag auf nachehelichen Unterhalt durch Teilversäumnisbeschluss entschieden worden ist, und wies sie im Übrigen zurück.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Teilversäumnisbeschluss des Amtsgerichts zu Recht gem. §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen, weil sie kein gegen den angefochtenen Teilversäumnisbeschluss statthaftes Rechtsmittel ist (§§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, §§ 338, 514 Abs. 1 ZPO). Den insoweit allein statthaften Einspruch (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 338 ZPO) gegen den Teilversäumnisbeschluss hat die Antragstellerin nicht eingelegt.

Wird in einem Verbundbeschluss inhaltlich eine auf Säumnis beruhende Teilentscheidung in einer Unterhalts- oder Güterrechtsfolgesache getroffen, steht dem säumigen Beteiligten insoweit allein der Einspruch gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 338 ZPO als Rechtsbehelf zur Verfügung (Senatsbeschluss vom 29.4.2015 - XII ZB 590/13 FamRZ 2015, 1277 Rn. 12 mwN). Dagegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde insoweit gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 514 Abs. 1 ZPO unstatthaft (Zöller/Lorenz ZPO 34. Aufl. § 117 FamFG Rn. 3).

Einen Einspruch gegen den über die Folgesache nachehelicher Unterhalt ergangenen Teilversäumnisbeschluss hat die Antragstellerin so das OLG richtig nicht eingelegt. Eine als Einspruch bezeichnete Erklärung hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin gegenüber dem Amtsgericht nicht abgegeben. Der vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht als Einspruch i.S.v. § 338 ZPO, § 143 FamFG auszulegen. Auch eine Umdeutung der vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gestellten Anträge scheidet aus.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | FamFG
§ 117 Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen
Lorenz in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | FamFG
§ 143 Einspruch
Lorenz in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 338 Einspruch
Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

Kommentierung | ZPO
§ 514 Versäumnisurteile
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022

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