Gibt es einen Anspruch auf das „Nachholen“ arbeitsfreier Tage?
Irrtümer über Irrtümer
Wenn ein Feiertag auf ein Wochenende fällt, empfinden manche Arbeitnehmer dies als Benachteiligung, weil sie meinen, ihnen gehe dadurch ein ihnen zustehender freier Arbeitstag verloren. Der DGB Bayern forderte daher anlässlich des in diesem Jahr auf einen Samstag fallenden Feiertags Allerheiligen eine gesetzliche Regelung, wonach der „ausgefallene“ freie Arbeitstag am folgenden Werktag nachzuholen sei (FAZ v. 1.11.2025).
Abgesehen davon, dass ein solches Anspruchsdenken in der gegenwärtigen wirtschaftlich angespannten Situation Deutschlands fehl am Platz erscheint, stellt sich die Frage, ob ein Anspruch auf das Nachholen arbeitsfreier Tage bereits besteht. Eine nähere Betrachtung zeigt: Gerade in diesem Zusammenhang bestehen zahlreiche rechtliche Missverständnisse.
1. Kein Anspruch auf Nachholen gesetzlicher Feiertage
Ein Rechtsanspruch auf das Nachholen freier Arbeitstage besteht nicht, wenn ein gesetzlicher Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag fällt, an dem der Arbeitnehmer ohnehin nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet wäre. Eine rechtliche Grundlage hierfür fehlt.
Dies wird deutlich, wenn man sich den Sinn und Zweck des Feiertags Allerheiligen vor Augen führt. Dessen Ziel ist nicht, Arbeitnehmern einen zusätzlichen Tag zur Erholung von der Arbeit zu gewähren. Vielmehr ist der Tag dem Gedenken an die Verstorbenen gewidmet. Angehörige sollen die Möglichkeit haben, die Gräber ihrer Familienmitglieder zu besuchen. Auch wenn dieser religiöse Hintergrund heute vielfach in den Hintergrund getreten ist und viele Menschen den Feiertag eher für Freizeitaktivitäten nutzen, bleibt er doch die tragende Begründung. Der Besuch von Friedhöfen ist jedoch auch dann möglich, wenn Allerheiligen auf ein Wochenende fällt. Dazu bedarf es eines freien Tages, nicht jedoch eines zusätzlichen arbeitsfreien Tages. Dies verkennt der DGB Bayern – bemerkenswert, gerade in einem Bundesland mit ausgeprägt katholischer Tradition.
2. Anspruch auf Nachgewährung entgangener Urlaubstage
Dass der Zweck einer Arbeitsbefreiung entscheidend ist, zeigt sich besonders im Urlaubsrecht. Der gesetzliche Urlaubsanspruch dient dazu, Arbeitnehmern eine gesicherte Möglichkeit zur selbstbestimmten Erholung zu verschaffen (BAG v. 20.6.2000 – 9 AZR 405/99, DB 2000, 2327; EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, ArbRB 2011, 359). Wird der Arbeitnehmer während des Urlaubs arbeitsunfähig, kann der Urlaub diesen Zweck nicht erfüllen. Daher werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage gemäß § 9 BUrlG nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.
Diese gesetzliche Regelung ist erforderlich, weil der Arbeitgeber mit der Festlegung des Urlaubszeitraums seine Leistungspflicht bereits erfüllt hat. Eine im Urlaubszeitraum eintretende Arbeitsunfähigkeit kann die bereits suspendierte Arbeitspflicht nicht erneut entfallen lassen. Tritt während des Urlaubs ein weiterer Freistellungstatbestand hinzu, liegt dies im persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers und fällt damit grundsätzlich in dessen Risikosphäre.
Anders formuliert: Der Arbeitnehmer ist durch den gewährten Urlaub bereits von seiner Arbeitspflicht befreit; eine spätere Arbeitsunfähigkeit ändert daran grundsätzlich nichts. Dies ergibt sich auch unmittelbar aus § 3 Abs. 1 EFZG, wonach ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung gehindert ist. Ist er jedoch bereits aufgrund gewährten Urlaubs freigestellt, entfällt diese Voraussetzung.
- § 9 BUrlG stellt insoweit eine gesetzliche Ausnahme dar: Er verschiebt das Risiko der Erkrankung während des Urlaubs vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber, der die betroffenen Urlaubstage nachzugewähren hat.
3. Keine Nachgewährung von Freistellungstagen bei Arbeitszeitflexibilisierung
In vielen Betrieben ist die Arbeitszeit flexibilisiert. Die geleisteten Stunden werden über Arbeitszeitkonten erfasst: Überstunden führen zu „Guthaben-“ oder „Plusstunden“, Minderstunden zu „Minusstunden“. Arbeitnehmer können ihr Zeitguthaben häufig nutzen, um ganze freie Tage in Anspruch zu nehmen. Der Ausgleich erfolgt ausschließlich in Zeit, da das Arbeitsentgelt verstetigt wird.
Besteht ein Betriebsrat, hat dieser bei der Einführung derartiger Arbeitszeitmodelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, da die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage betroffen ist.
Verbreitet ist der Irrtum, Arbeitnehmer könnten einen durch Guthabenstunden ermöglichten freien Tag nachgewährt bekommen, wenn sie an diesem Tag arbeitsunfähig werden. Das Gegenteil ist richtig: Wird der Freischichttag vom Arbeitgeber gewährt und tritt danach eine Arbeitsunfähigkeit ein, besteht kein Anspruch auf Nachgewährung. Der Arbeitnehmer war an diesem Tag nicht infolge der Arbeitsunfähigkeit an der Arbeit verhindert – die Arbeitspflicht war bereits durch den gewährten Freischichttag aufgehoben. Eine dem § 9 BUrlG entsprechende Regelung existiert hier nicht und eine analoge Anwendung scheidet aus.
Der Zweck dieser Arbeitsbefreiung liegt nicht in der Erholung, sondern ausschließlich im Ausgleich der Zeitverpflichtung: Der Arbeitnehmer hat zuvor mehr gearbeitet, als er schuldete. Die Freistellung dient damit dem Ausgleich der Zeitschuld, nicht der Regeneration.
Einige Betriebsräte versuchen, diese für Arbeitnehmer ungünstige Risikoverteilung in Betriebsvereinbarungen abzumildern, indem sie eine Nachgewährung für den Fall der Erkrankung am Freischichttag vorsehen. Damit soll – ähnlich wie in § 9 BUrlG – das Risiko der Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitgeber verlagert werden. Arbeitgeber sollten einer solchen Regelung nicht zustimmen, da sie nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch missbrauchsanfällig ist.
4. Keine Nachgewährung bei Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit
Auch unter Betriebsräten hält sich mitunter die Annahme, freie Tage seien nachzugewähren, wenn im Anschluss ein weiterer Freistellungstatbestand eingreift, z.B. eine Arbeitsunfähigkeit eintritt.
Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts, wenn es aus betriebsbedingten Gründen Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit leisten musste. Diese Freistellung ist gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG innerhalb eines Monats zu gewähren; ist dies nicht möglich, ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
Wird der Tag des Freizeitausgleichs vom Arbeitgeber festgelegt und das Betriebsratsmitglied danach arbeitsunfähig, kann es diesen Tag nicht erneut beanspruchen. Ein Anspruch auf Nachgewährung besteht nicht. Die Arbeitspflicht entfiel nicht infolge der Arbeitsunfähigkeit, sondern bereits kraft der gewährten Freistellung. Eine gesetzliche Grundlage, die diese Risikoverteilung zulasten des Betriebsratsmitglieds ändert, existiert nicht. Auch hier scheidet eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG aus, da der Zweck der Freistellung nicht in der Erholung, sondern im Zeitausgleich liegt.
5. Fazit
Das Thema ist von Irrtümern geprägt: Beim Zusammentreffen freier Tage mit anderen Freistellungstatbeständen entscheidet stets der Zweck der Freistellung. Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer das Risiko eines später eingreifenden Freistellungstatbestands, z.B. einer später eintretenden Arbeitsunfähigkeit. Eine Verlagerung dieses Risikos – verbunden mit einem Anspruch auf Nachgewährung des freien Tages – setzt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage voraus. Eine solche Ausnahme enthält derzeit allein § 9 BurlG für das Zusammentreffen von Erholungsurlaub und Arbeitsunfähigkeit.