14.12.2025

Neues zum (nationalen) Arbeitnehmerbegriff vom BAG

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Axel Groeger

Das BAG hat in zwei Beschlüssen über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten bemerkenswerte Beiträge zum Arbeitnehmerbegriff geleistet. Diskussionen auf dem kommenden 7. Deutschen Arbeitsrechtstag werden sie eher nicht hervorrufen, da sie weder die Sorge begründen, dass der Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) erodiert, noch sind sie als evolutionär zu bezeichnen. Sie zeichnen sich vielmehr durch ihre gründliche Auswertung der konkreten Umstände und ihre klare Argumentation aus und leisten damit einen wichtigen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit zumindest für die Bestimmung des zulässigen Rechtsweges.

In dem einen Fall ist Kläger der Generalintendant und 1. Werkleiter eines Städtischen Theaters in Thüringen (BAG, Beschluss vom 2.12.2025 - 9 AZB 3/25), der Kläger im anderen Fall fühlt sich durch die DFB Schiri GmbH, die seine Bewerbung abgelehnt hat, diskriminiert und meint, dass er, wenn diese mit ihm als Schiedsrichter-Assistent der 3. Liga und Vierter Offizieller einen Rahmenvertrag abgeschlossen hätte, er den Status eines Arbeitnehmers erlangt hätte (BAG, Beschluss vom 3.12.2025 - 9 AZB 18/25).

Vorab: 

  • In beiden Fällen handelt sich um einen sog. et-et-Fall, in dem ein einheitlicher Anspruch widerspruchslos sowohl auf eine arbeitsrechtliche als auch auf eine nicht arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann (3 626 BGB bzw. § 15 AGG) und in dem das Gericht die Arbeitnehmereigenschaft vollumfänglich zu prüfen und notfalls Beweis über die streitigen Tatsachen zu erheben hat. Nur bei einem sog. sic-non-Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Klage nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, genügt schon die entsprechende Rechtsbehauptung der klagenden Partei, damit der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
  • Zugrunde zu legen ist der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff, wie er in § 611a Abs. 1 BGB definiert ist (HWK/Kalb, 11. Aufl. 2024, § 5 ArbGG Rn. 1).
  • Die Kläger in beiden Verfahren waren an die Einhaltung bestimmter Regelwerke gebunden bzw. wären daran gebunden gewesen, wenn es im Fall des Schiedsrichter-Assistenten zum Abschluss des Rahmenvertrages (und einzelner Verträge) gekommen wäre.

Den Generalintendanten hatten die Vorinstanzen zu Recht als Arbeitnehmer qualifiziert, während das Landesarbeitsgericht den Kläger, der sich um einen Rahmenvertrag als Schiedsrichter-Assistent der 3. Liga beworben hatte, zu Unrecht als Arbeitnehmer der DFB Schiri GmbH angesehen und den rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu Unrecht als eröffnet angesehen hat. Worin liegen die wesentlichen rechtlichen Unterschiede, die diese Entscheidungen rechtfertigen?

Um die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses im konkreten Fall festzustellen, bedarf es nach § 611a Abs. 1 S. 5 BGB einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Von einem Arbeitsverhältnis kann erst dann ausgegangen werden, wenn den Umständen, die für eine persönliche Abhängigkeit sprechen, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung hinreichendes Gewicht beizumessen ist oder sie dem Rechtsverhältnis ihr Gepräge geben.

Im Fall des Generalintendanten fielen die Weisungsbefugnisse des Oberbürgermeisters und das Maß an Fremdbestimmung, das aus der starken Einbindung des Klägers in die Arbeitsorganisation folgt, erheblich ins Gewicht. Sie lassen die Tätigkeit als nicht im Wesentlichen frei erscheinen und Aspekte, die für ein freies Dienstverhältnis sprechen, etwa die freie Arbeitszeitgestaltung und die fehlende Vorgabe des Arbeitsorts, in den Hintergrund treten. Zwar ist auch bei freien Dienstverhältnissen nicht ungewöhnlich, dass ein inhaltlicher Abstimmungsbedarf mit anderen gegeben ist und Kontrollorgane die Tätigkeit überwachen. Im Streitfall besteht aber die Besonderheit, dass aufgrund der Organisationsstruktur des Theaters der Verwaltungsdirektor als 2. Werkleiter im Konfliktfall in allen Aufgabenbereichen die Entscheidung anderer Organe erwirken kann und dies die Freiheit des Generalintendanten erheblich beschränkt. Auch der Umstand, dass der „Intendantenvertrag“ dem Kläger im künstlerischen Bereich gestalterische Freiheit einräumt und ihm die künstlerische Verantwortung zuweist, ändert daran nichts. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Theaterbetrieb für sich die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen kann und ein Interesse daran hat, unabhängig Beschäftigte überall dort einzusetzen, wo es um die Einbringung individueller künstlerischer Befähigung und Aussagekraft geht. Dies trifft zweifellos auf die Position des Generalintendanten zu, der die künstlerische Leitung des Theaters innehat. Dennoch erweist sich die Tätigkeit im konkreten Fall aufgrund der vertraglichen Gestaltung nicht als so frei, dass das Rechtsverhältnis als freies Dienstverhältnis anzusehen wäre. Dem stehen das Weisungsrecht des Oberbürgermeisters und seine Eintrittsmöglichkeit entgegen. Da sich Letztere auch auf die Aufgabengebiete erstreckt, die originär der Eigenverantwortlichkeit des Klägers unterstellt sind, ist seine Freiheit letztlich auch im künstlerischen Bereich deutlich eingeschränkt.

Die DFB Schiri GmbH kann nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts einen Schiedsrichter-Assistenten oder Vierten Offiziellen aufgrund des vom Kläger angestrebten Rahmenvertrags nicht einseitig anweisen, in einem bestimmten Spiel als Mitglied des Schiedsrichter-Teams mitzuwirken. Der Rahmenvertrag regelt zwar die Bedingungen eines Einsatzes als Schiedsrichter. Die Spielleitungen werden von der DFL Schiri GmbH über das sog. DFBnet vergeben. Die Schiedsrichter-Assistenten tragen im Vorfeld - teilweise über einen Monat im Voraus - Termine als „Freistellungen“ ein, an denen sie keine Einsätze übernehmen können. Erst im Anschluss daran werden sie für bestimmte Einsätze außerhalb der gewünschten „Freistellungszeiträume“ eingeteilt. Auch nach dieser Einteilung (sog. Voransetzung) kann der Schiedsrichter-Assistent den Spieleinsatz noch ablehnen. Geschieht dies nicht, erfolgt die sog. Endansetzung. Damit gilt für die einzelnen Spieleinsätze letztlich das Konsensprinzip.

Nach den Richtlinien müssen die Schiedsrichter-Assistenten Lehrabende besuchen und sich durch sportliches Training leistungsfähig halten. Allerdings besteht nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern gleichermaßen bei freien Dienstnehmern ein berechtigtes Interesse des „Auftraggebers“, über Fortbildungen die Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln und zu erhalten, die aus seiner Sicht für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erforderlich sind. Die allgemeinen Vorgaben, die Schiedsrichtern im Rahmen von Lehrgängen für die Bewertung bestimmter Spielsituationen gemacht werden, stellen deshalb keine Weisungen dar, die für ein Arbeitsverhältnis typisch sind. Unabhängig vom Vertragsstatus verlangt ein fairer Spielbetrieb ein einheitliches Regelverständnis. Zudem setzt eine - nach dem Rahmenvertrag ins Auge gefasste - Spielleitung gerade in den Profiligen eine ausreichende körperliche Leistungsfähigkeit der Schiedsrichter voraus.

Während des Fußballspiels - und damit während des Schwerpunkts der Schiedsrichtertätigkeit - besteht keine für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsbefugnis des DFB oder der DFB Schiri GmbH gegenüber dem Schiedsrichter und dessen Assistenten. Die Eigenart der Aufgabe iSv. § 611a Abs. 1 S. 4 BGB liegt vielmehr darin, das Spiel auf Grundlage der Fußballregeln und Durchführungsbestimmungen des DFB weisungsungebunden zu leiten. Selbst bei einer tatsächlich unzutreffenden Beurteilung einer Spielsituation oder Abweichung von allgemeinen Hinweisen zur Regelauslegung bzw. -anwendung sind die während des Spiels getroffenen Entscheidungen verbindlich und können lediglich durch den Schiedsrichter selbst korrigiert werden. Sie lassen sich selbst im Nachhinein grundsätzlich nicht revidieren.

Der Status einer Vereinbarung wird auch nicht durch die in § 8 Nr. 3 SchO geregelten Pflichten in Bezug auf das Spiel geprägt. Danach haben Schiedsrichter vor dem Spiel die Bespielbarkeit des Platzes, den Aufbau des Spielfelds, die Spielpässe bzw. Spielerlisten und die Ordnungsmäßigkeit der Ausrüstung sowie die Bälle zu prüfen.

Die in § 8 Nr. 4 SchO geregelte Pflicht, einen Spielbericht zu erstellen und sich mit dem zugeteilten Coach über die vergangene Spielleitung auszutauschen, ist ebenfalls kein Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Es handelt sich hierbei um Auskunftspflichten über den Stand der Tätigkeiten und deren Durchführung, die als Nebenpflichten typischerweise auch im Rahmen anderer Schuldverhältnisse bestehen und dort teilweise ausdrücklich geregelt sind.

Auch der Umstand, dass Schiedsrichterbeobachter die Leistungen des Schiedsrichter-Assistenten in der 3. Liga beurteilen und diese sich dem sog. Konformitätstest unterziehen müssen, streiten nicht entscheidend für ein Arbeitsverhältnis. Das gilt selbst dann, wenn Schiedsrichter-Assistenten infolge von aus Sicht der Beklagten getroffenen Fehlentscheidungen nicht mehr berücksichtigt würden. Auch ein freier Dienstnehmer oder Werkunternehmer wird einen Folgeauftrag nur erhalten, wenn der Auftraggeber mit der in der Vergangenheit erbrachten Leistung zufrieden ist.

Die Erwartung einer ständigen Dienstbereitschaft lässt sich nicht der Vergütungsgestaltung entnehmen. Die Beklagte zahlt an die Schiedsrichter-Assistenten in der 3. Liga - anders als an die Schiedsrichter und Schiedsrichter-Assistenten in der 1. und 2. Bundesliga - keine einsatzunabhängige Grundvergütung. Auch steigen die - für sich genommen jeweils wirtschaftlich lohnenden - Einsatzvergütungen nicht mit einer zunehmenden Zahl an übernommenen Spielleitungen. Der Schiedsrichter-Assistent kommt nicht erst ab einer hohen Zahl von Spieleinsätzen „ins Verdienen“. Insoweit hebt sich der Streitfall entscheidend von solchen Fallgestaltungen ab, in denen der „Auftraggeber“ die einzelnen Arbeitsaufträge mit der Folge „atomisiert“, dass sich ihre Ausführung erst „rechnet“, wenn der Arbeitnehmer die „Mikrojobs“ über einen längeren Zeitraum regelmäßig übernimmt.

Beide Entscheidungen vermitteln dem Praktiker ein "Gefühl" (Rechtsempfinden) dafür, wie wichtig es ist, die in die Gesamtbetrachtung einbezogenen Aspekte zutreffend als wesentlich oder unwesentlich einzuordnen und, soweit sie wesentlich sind, auch zu gewichten.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de