Button vorhanden, Vertrag nicht: Der BGH zieht durch
Zu den hartnäckigsten Fehlannahmen im digitalen Vertragsrecht gehört die Vorstellung, bei der Pflicht, Bestellbutton ausdrücklich mit "zahlungspflichtig bestellen" zu beschriften, handele es sich um eine Petitesse. Über Jahre hinweg wurde § 312j Abs. 4 BGB in den Instanzen mit beachtlicher Elastizität gelesen – als Norm, die zwar irgendwie ernst genommen werden müsse, deren Rechtsfolgen aber richterlicher Korrektur bedürften. Dass der Gesetzgeber eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung formuliert hat, geriet dabei aus dem Blick. Bis jetzt.
(Im Anschluss an Niko Haerting: https://www.cr-online.de/blog/2025/02/14/die-button-loesung-im-online-handel-aktuelle-anforderungen-und-rechtliche-vorgaben/).
Mit dem Urteil des BGH vom 9. Oktober 2025, I ZR 159/24 hat diese Phase ein Ende. Das Urteil liest sich wie eine Rückbesinnung auf den Gesetzeswortlaut – und zugleich wie eine klare Absage an frühere dogmatische Ausweichbewegungen. Der Senat nimmt § 312j Abs. 4 beim Wort: Ein Vertrag, der ohne die in Absatz 3 verlangte ausdrückliche Bestätigung der Zahlungspflicht geschlossen werden soll, kommt nicht zustande. Keine Schwebezustände, keine nachträgliche Heilung durch formlose Kommunikation, keine stillschweigende Bindung. Die Norm wirkt formähnlich – der BGH verweist hierzu ausdrücklich auf § 125 Satz 1 BGB.
Unionsrechtlich fügt sich das nahtlos ein. Der EuGH hat in der Entscheidung Conny (Urt. v. 30.5.2024, C-400/22) klargestellt, dass das Unionsrecht keine Aussage dazu treffe, wie die Rechtsfolgen eines Verstoßes im Detail auszugestalten seien. Das sei Sache des nationalen Rechts. Genau hier setzt der BGH an. Wenn der deutsche Gesetzgeber sagt, dass ein Vertrag nur zustande kommt, wenn die Button-Pflicht erfüllt ist, dann ist die Konsequenz eben die endgültige Unwirksamkeit im Fall eines Verstoßes: Formnichtigkeit.
Wie markant der Unterschied zur bisherigen Praxis ausfällt, zeigt der zeitlich vor Veröffentlichung der BGH-Entscheidung ergangene Beschluss des Kammergerichts vom 20. Oktober 2025 (24 U 34/25, unveröffentlich) exemplarisch. Das KG hatte über einen vollständig online abgewickelten Tesla-Fahrzeugkauf zu entscheiden, ausgelöst über eine Schaltfläche, deren Beschriftung nach zutreffender Einschätzung des Gerichts nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 genügte. Er war lediglich mit „Bestellen“ beschriftet und enthielt gerade nicht den vorgeschriebenen Hinweis auf die Zahlungspflicht. Gleichwohl hielt das KG eine spätere Bindung des Verbrauchers für möglich und formulierte:
„Der Verbraucher kann nach Erhalt der Information über die Entgeltlichkeit entscheiden, die Wirkungen des Vertrags aufrechtzuerhalten.“
Diese Sichtweise setzt notwendig voraus, dass es überhaupt Wirkungen gibt, die „aufrechterhalten“ werden können. Der Vertrag darf also nicht nichtig, sondern lediglich unvollständig oder schwebend sein. Genau das aber verneint der BGH nun unmissverständlich. Was nicht wirksam zustande gekommen ist, kann nicht fortgeführt werden. Eine nachträgliche Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB scheide aus. Der Vertrag könne allenfalls nach § 141 Abs. 1 BGB neu geschlossen werden – und zwar wiederum nur unter Wahrung der Anforderungen des § 312j Abs. 3. Konkludente Bestätigungen genügen hierfür nicht.
Folgenreiche Rechtsfolgen
Die große Relevanz der Entscheidung liegt in den Schlussfolgerungen, die der BGH für eine Novation aus der Nichtigkeitsfolge ableitet. Er stellt sich nämlich auf den Standpunkt, dass eine solche Novation zwei kumulativ erforderliche Voraussetzungen habe:
1. Das Bewusstsein der Parteien, dass der vorangegangene Vertrag nichtig oder sein Bestand zumindest zweifelhaft sei.
2. Die Einhaltung der Form des § 312j Abs. 3 BGB bei der Bestätigungserklärung des Verbrauchers.
Schon am erstgenannten Erfordernis wird es im Regelfall fehlen, jedenfalls bislang: Die „Button-Lösung“ ist keinem Verbraucher geläufig. Aber auch das zweite Erfordernis wurde in wohl keinem derzeit interessierenden Fall eingehalten. Denn das wiederum wäre nur auf zwei Wegen denkbar: Entweder, der Unternehmer stellte dem Verbraucher für seine Bestätigungserklärung wiederum eine Website mit einer Schaltfläche zur Verfügung, über die er seine Vertragserklärung abgeben kann. Diese müsste dann mit nichts anderem als „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlich eindeutigen Erklärung versehen werden, § 312j Abs. 1 S. 2 BGB. Oder er forderte den Verbraucher auf, seine Vertragserklärung auf anderem Weg abzugeben und dabei eine „Bestellsituation“ zu schaffen, so der Gesetzgeber, bei der der Verbraucher seine Zahlungspflicht „ausdrücklich bestätigt“. Denkbar wäre insoweit die Bitte, einen konkreten Formulierungsvorschlag in einer E-Mail zu verwenden.
Offen ist die Frage, ob das Formerfordernis des § 312j im Fall der Bestätigung nach § 141 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn die Vertragsbestätigung nicht im elektronischen Rechtsverkehr erfolgt. Denkbar wäre also etwa ein Austausch per Individualkommunikation, etwa am Telefon oder in einem Video-Call, aber auch ein Gespräch vor Ort. Dieses Erfordernis entstammt § 312j Abs. 2 BGB; es ist Voraussetzung für das Bestehen der Formvorschrift des Absatzes 3.
Die besseren Argumente sprechen dafür, dass auch in diesen Fällen die verletzte Formvorschrift einzuhalten ist, obwohl die „Bestellsituation“ nicht unter § 312j Abs. 2 BGB subsumiert werden kann. Der BGH entnimmt die Formstrenge für das Bestätigungsgeschäft nämlich dem Umgehungsverbot des § 312m Abs. 1 BGB. Und ein formloses Bestätigungsgeschäft unterliefe diese Formstrenge auch dann, wenn es „offline“ erfolgt.
Der BGH macht auch in Bezug auf die sonstigen Rechtsfolgen keine Gefangenen: Es gibt keinen Wertersatz für die erbrachte Leistung. Herauszugeben sei nur, was der Verbraucher „noch herausgeben kann“ (BGH a.a.O., Rn. 51). Er bejaht damit im Grundsatz einen Kondiktionsanspruch auch des Unternehmers in Bezug auf eine von ihm auf den nichtigen Vertrag erbrachte Leistung. Das umfasst allerdings nur, was noch in natura herausgegeben werden kann. Neben dem vom BGH genannten Wertersatzanspruch dürfte auch ein Anspruch auf nicht mehr in natura verfügbare Nutzungen nach § 818 Abs. 1 1. Alt. BGB ausgeschlossen sein. Anders dürfte die Sache mit dem stellvertretenden Commudum liegen, § 818 Abs. 1 2. Alt. BGB. So wird im Fall des Verkaufs eines formnichtig erworbenen Gegenstands der Kaufpreis, im Fall einer Beschädigung durch Dritte, etwa durch einen Unfall o.ä., der Anspruch gegen den Dritten herauszugeben respektive abzutreten sein.
Übermäßige Härte?
Insbesondere im Massengeschäft ist die Nichtigkeit von Verträgen ein Schlag in die Magengrube für die betroffenen Unternehmen. Es stellt sich die Frage, ob kein Raum für einen Billigkeitsausgleich eröffnet ist. Hier wird man allerdings an von Jhring erinnern müssen:
„Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, dass sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach aussen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äussere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.“
Billigkeitserwägungen und Formvorschriften – sie gehen einfach nicht gut zusammen. Da hilft auch der Gedanke nicht, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Formvorschrift „Abofallen“ im Internet im Auge hatte, die Verbraucher zu eigentlich unerwünschten Vertragsverhältnissen verleiteten. Und man wird sagen müssen: Wer sich dafür entscheidet, etwa teure PKW wie ein paar Turnschuhe über einen Onlineshop zu vertreiben, dem ist auch zumutbar, sich mit den ja in diesem Fall überhaupt nicht komplexen Regeln auseinanderzusetzen. Letztlich sind Verstöße denn auch in den seltensten Fällen ein Versehen, sondern eine Entscheidung für eine abgesenkte Abschlussschwelle. Oder, mit anderen Worten:
Ein kaufmännischer Fail.