Erste veröffentlichte Berufungsentscheidung zur GbR - Eigenbedarfskündigung nach Inkrafttreten des MoPeG – LG Bochum lässt Revision zum BGH zu
„Wir müssen raus!“ sang Udo Jürgens unter dem Titel „Ein ehrenwertes Haus“ zum ersten Mal im Jahre 1974. Während in dem von Udo Jürgens musikalisch thematisierten Fall der damals noch verbreitet als nonkonformistisch angesehene Status des Mieterpaares Anlass für eine Aufforderung der Gemeinschaft aller Mieter war, aus dem „ehrenwerten Haus“ auszuziehen, führte im Fall des LG Bochum der veränderte Beziehungsmodus des Gesellschafter-Ehepaares einer eGbR als Vermieterin von Wohnraum zu einer Eigenbedarfskündigung dieser rechtsfähigen Personengesellschaft i.S.d. §§ 705 Abs. 2 Var. 1, 14 Abs. 2 BGB zugunsten des Ehemannes. Der Ehefrau war – wie die von der 10. Zivilkammer des LG Bochums durchgeführte Anhörung der GbR-Gesellschafter ergab – aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Zuständigkeiten innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft der „Kragen geplatzt“ (LG Bochum v. 12.9.2025 – 10 S 41/25, GmbHR 2025, 1330 m. Anm. Wertenbruch). Das von der GbR nach Eigenbedarfskündigung auf Räumung verklagte Mieter-Ehepaar bewohnt seit 36 Jahren aufgrund eines Mietvertrags vom 28.4.1989 eine Wohnung im Haus der GbR im Amtsgerichtsbezirk Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis). Die GbR wurde am 3.1.2024 auf Grundlage eines Erwerbsvorgangs aus dem Jahre 2023 als Eigentümerin in das Grundbuch und am 29.2.2024 in das Gesellschaftsregister des AG Bochum eingetragen. Nach § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) ist die rechtsfähige GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB seit Vollzug der Eigentumsumschreibung im Grundbuch Vermieterin der streitgegenständlichen Wohnung (vgl. dazu Lützenkirchen/Selk in Erman, 17. Aufl. 2023, § 566 BGB Rz. 14; Weidenkaff in Grüneberg, 84. Aufl. 2025, § 566 BGB Rz. 15).
Eigenbedarf kann der Vermieter im Rahmen einer Kündigung des Mietverhältnisses gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend machen, wenn er „die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt“. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kann die rechtsfähige GbR als Vermieterin von Wohnraum unstreitig keinen Eigenbedarf für einen Gesellschafter geltend machen, der die Wohnung privat nutzen möchte. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) am 1.1.2024 hat der BGH die analoge Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die GbR als Vermieterin wegen Bestehens einer Regelungslücke in ständiger Rechtsprechung bejaht und mit Urteil vom 14.12.2016 noch einmal bestätigt (BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 = ZIP 2017, 122; vgl. dazu Wertenbruch, NJW 2023, 1393). In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass jedenfalls seit Inkrafttreten des MoPeG eine GbR-Eigenbedarfskündigung in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht mehr möglich ist (vgl. zum Meinungsstand Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334). So hat auch das AG Witten als Vorinstanz mit dem am 5.6.2024 verkündeten Urteil entschieden und die Räumungsklage der GbR abgewiesen. Das AG Witten verweist darauf, dass der BGH vor Inkrafttreten des MoPeG die analoge Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB deshalb bejaht habe, weil der GbR nach außen lediglich eine „Teilrechtsfähigkeit“ zugekommen und diese Gesellschaft in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung daher mit einer Miteigentümergemeinschaft und Erbengemeinschaft vergleichbar gewesen sei. Auf Grundlage des am 1.1.2024 in Kraft getretenen MoPeG stehe, so das AG Witten, die rechtsfähige GbR dagegen den Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) und den juristischen Personen, also etwa einer GmbH, gleich, so dass nunmehr eine analoge Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei (vgl. zu den Entscheidungsgründen des AG Witten das Urteil des LG Bochum v. 12.9.2025 – 10 S 41/25, juris Rz. 13). Im Urteil vom 10.7.2024 hat der VIII. Zivilsenat des BGH auf Grundlage der von der 67. Zivilkammer des LG Berlin zugelassenen Revision die Frage offengelassen, weil die Eigenbedarfskündigung vor Inkrafttreten des MoPeG erfolgt war und daher nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts das zum Zeitpunkt der Kündigung der in Berlin-Mitte gelegenen Wohnung im Jahre 2021 noch das bis zum 31.12.2023 geltende Recht maßgebend war (BGH v. 10.7.2024 – VIII ZR 276/23, GmbHR 2024, 1193).
Im Fall des LG Bochum bewohnt das Gesellschafter-Ehepaar, das drei Kinder hat, selbst ein Haus mit drei Etagen. Anfang 2024, also zeitgleich mit dem Erwerb des anderen Hausgrundstücks durch die von ihnen als Gesellschafter betriebene eGbR, waren aufseiten des Gesellschafter-Ehepaares Streitigkeiten über die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgetreten. Infolgedessen musste der Ehemann zumindest erst einmal (Stand: Berufungsverhandlung am 12.9.2025) auf dem Wohnzimmersofa schlafen. Der Mann hatte nach den Darlegungen seiner Ehefrau in der Berufungsverhandlung die Familie vernachlässigt und Versprechen nicht eingehalten. Er treffe sich mit Kollegen, während sie mit den drei Kindern unterwegs sei. Im Rahmen der Anhörung in dieser Verhandlung bestätigte der Mann, dass seine Frau immer mehr Unterstützung „im Haushalt, bei der Wäsche, den Kindern etc.“ von ihm gefordert habe, er aber mittlerweile „eine Führungsposition bei der Arbeit und 10 bis 15 Mitarbeiter unter sich habe“, so dass er, wenn er von der Arbeit nach Hause komme, „die Arbeit vorbereiten und sich im Übrigen erholen“ müsse. Da eine Verständigung aufseiten der Ehegatten nicht zustande kam, wurde entschieden, dass der zurzeit nur im unteren, aus einem Badezimmer und einem Wohnzimmer bestehende Teil des bislang gemeinsam bewohnten Hauses residierende Mann auszieht und die GbR zum Zwecke der Behebung der Unterbringungsproblematik in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung eine Eigenbedarfskündigung ausspricht.
Die vom LG Bochum unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des AG Witten vertretene Zulassung der GbR-Eigenbedarfskündigung auch nach Inkrafttreten des MoPeG ist nicht überzeugend. Es ist zwar richtig, dass die Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR schon durch die „Weißes Ross“-Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 29.1.2001 (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330) anerkannt worden ist. Der VIII. Zivilsenat des BGH hat aber in der Entscheidung aus dem Jahre 2016 die GbR-Eigenbedarfskündigung in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB noch darauf gestützt, dass der GbR anders als einer juristischen Person nur eine „Teilrechtsfähigkeit“ zukomme und sie daher eine mit der Bruchteilsgemeinschaft und der Erbengemeinschaft vergleichbare „Vermietermehrheit“ sei (BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 Rz. 16 ff. = ZIP 2017, 122 ff.; vgl. dazu Wertenbruch, NJW 2023, 1393 Rz. 18 ff.; Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334). Diese Begründung kann auf Grundlage des MoPeG keine Geltung mehr beanspruchen. Die amtliche Begründung zum MoPeG verweist darauf, dass die rechtsfähige GbR das neue Leitbild des Rechts der GbR sei (BT-Drucks. 19/27635, S. 125 f.). Die neue Vorschrift des § 705 Abs. 2 BGB konzipiere, so der MoPeG-Gesetzgeber, im Sinne dieses Leitbildes die GbR in Gestalt der rechtsfähigen Gesellschaft (§ 705 Abs. 2 Var. 1 BGB) als auf eine gewisse Dauer angelegte, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Personengesellschaft „grundlegend neu“. Auf Grundlage des MoPeG steht der von einer GbR vermietete Wohnraum zweifelsfrei nicht mehr einer „Vermietermehrheit“ zu. Mit Inkrafttreten des MoPeG ist daher die wesentliche Grundlage der Entscheidung des BGH vom 14.12.2016 zur analogen Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die GbR entfallen (Weidenkaff in Grüneberg, 84. Aufl. 2025, § 573 BGB Rz. 26; Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334; Wertenbruch, NJW 2023, 1393 Rz. 19).
Die GbR muss nunmehr – wie vom AG Witten als Vorinstanz angenommen – in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung wie eine OHG, KG oder GmbH behandelt werden (vgl. zu Einzelheiten Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334). Diese Gesellschaften können nach zutreffender Auffassung des BGH keinen Eigenbedarf in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend machen (BGH v. 23.5.2007 – VIII ZR 122/06, ZIP 2007, 1665 zur KG BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 210/10, ZIP 2011, 281 zur GmbH & Co. KG; BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 Rz. 52 = ZIP 2017, 122 zur OHG und KG). In dem vom BGH im Jahre 2010 entschiedenen Fall konnte daher eine GmbH & Co. KG keinen Eigenbedarf für die beiden 69 und 74 Jahre alten Kommanditisten und GmbH-Gesellschafter beanspruchen (BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 210/10, ZIP 2011, 281). Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung kann eine hausverwaltende Personengesellschaft nach § 107 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB ohne Betrieb eines Gewerbes durch konstitutive Handelsregistereintragung die Rechtsform einer OHG oder KG erlangen (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334, 1335). Die Auffassung des LG Bochum, die rechtsfähige GbR sei „spezifisch mietrechtlich“ wie eine nicht rechtsfähige Personenmehrheit und damit wie eine Bruchteilsgemeinschaft zu behandeln, müsste deshalb konsequenterweise – entgegen der Rechtsprechung des BGH – auch für die Personenhandelsgesellschaften OHG, KG und GmbH & Co. KG gelten, die ein Wohnhaus verwalten und darin enthaltene Wohnungen vermieten.
Dass die für eine analoge Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche planwidrige Regelungslücke jedenfalls auf Grundlage des MoPeG nicht besteht, folgt auch daraus, dass die Gesellschafter einer Immobilien-GbR bewusst auf eine die Eigenbedarfskündigung unmittelbar rechtfertigende Eigentümerstellung verzichten, um bedeutende Vorteile zu erlangen, die einer Miteigentümergemeinschaft mit unmittelbarem Eigenbedarfskündigungsrecht gerade nicht zustehen (vgl. zum Ganzen Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334, 1335 f.). So muss gem. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG beim GbR-Modell nach wie vor im Falle eines nachfolgenden Anteilserwerbs keine Grunderwerbsteuer entrichtet werden, sofern nicht mindestens 90 % der GbR-Anteile erworben werden. Beim Erwerb eines GbR-Anteils mit dem gesellschaftsvertraglichen Recht zur Nutzung einer einzelnen Wohnung wird die 90 %-Schwelle eigentlich nie erreicht. Im Falle des Erwerbs von Miteigentumsanteilen besteht dagegen unabhängig vom Umfang eine Grunderwerbsteuerpflicht.
Bei Wahl des GbR-Modells können die Gesellschafter eine „Wohnung“ ohne notarielle Beurkundung durch formfreien Verkauf und Abtretung eines GbR-Anteils übertragen, während bei Miteigentum die notarielle Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung erforderlich ist (vgl. Wertenbruch, NJW 2023, 1393 Rz. 20). Eine vollstreckungsrechtliche Pointe besteht bei der Wahl der Rechtsform der GbR zumindest für die Gesellschafter darin, dass der Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters nicht direkt in das von der GbR gehaltene Grundeigentum vollstrecken kann, sondern auf die Pfändung und Verwertung des Gesellschaftsanteils seines Gesellschafter-Schuldners angewiesen ist (vgl. zu den Einzelheiten Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334, 1336). Wenn also der nicht formbedürftige Gesellschaftsvertrag beispielsweise vorsieht, dass der Gesellschafter-Schuldner nur mit 5 % am Gesellschaftsvermögen und der oder die anderen Gesellschafter mit 95 % beteiligt sind, so ist der Vollstreckungszugriff des Gläubigers auf diesen Wertanteil von 5 % beschränkt.
Schließlich muss gesehen werden, dass die GbR-Gesellschafter durchaus ohne Weiteres im Rahmen einer direkten Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zur Eigenbedarfskündigung berechtigt sind, sofern sie eine Umwandlung des Gesellschaftsvermögens in Wohnungseigentum oder Miteigentum zu ihren Gunsten vornehmen (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2025, 1334, 1336). Sie müssen dann allerdings auf die dargelegten gravierenden Vorteile des GbR-Modells verzichten, die Miteigentümer von vornherein nicht geltend machen können. Sind sie zur Aufgabe der rein wertmäßigen Beteiligung am Vermögen der rechtsfähigen GbR nicht bereit, so handeln sie widersprüchlich, wenn sie in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung im Ergebnis wie ein Allein- oder Miteigentümer behandelt werden wollen.
Zu Recht zugelassen hat das LG Bochum die Revision zum BGH nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Denn die Frage der Zulässigkeit der Eigenbedarfskündigung ist für eine von der GbR nach Inkrafttreten des MoPeG erklärte Kündigung vom BGH noch nicht entschieden worden. Mit Erlass der bevorstehenden Revisionsentscheidung des BGH wird im Fall des LG Bochum feststehen, ob das Mieter-Ehepaar nach dann wohl 37 Jahren Mietdauer sich mit dem letzten Satz des Liedes von Udo Jürgens vertraut machen muss: „Wir packen unsere sieben Sachen und ziehen fort aus diesem ehrenwerten Haus.“