14.05.2025

Schweiz: Unnütze Paragrafenreiterei und ewig dauernde Verfahren

Portrait von Redaktion ZKM-Report
Redaktion ZKM-Report

Ueli Vogel-Etienne ist Rechtsanwalt und Mediator in Zürich. In der NZZ kritisiert er, dass die Gerichte schweizweit zu selten von der außergerichtlichen Streitbeilegung Gebrauch machen. „Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zugang hat“, schreibt Friedrich Dürrenmatt in seinem Roman „Justiz“. In der Tat – die Justiz kümmere sich nicht um die Gerechtigkeit, sondern um die Umsetzung von Paragrafen in weit über 20.000 Gesetzen auf Bundesebene. Über 500 davon werden jährlich abgeändert. Bei der Umsetzung der vielen Paragrafen harke es erheblich. 17.000 Straffälle, so Vogel-Etienne harren derzeit ihrer Erledigung, die Zahl der unerledigten Zivilprozesse ist nicht bekannt. Im Kanton Zürich nahm die Zahl der anhängigen Gerichtsverfahren im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 900 Fälle zu. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden im Kanton Zürich hatten im vergangenen Jahr rund 5.000 Verfahren zu bewältigen. Alle Justizbehörden berichten regelmäßig von einer steigenden Geschäftslast. Die Problemlösung wird zum Problem, schreibt Vogel-Etienne.

Mit der eidgenössischen Zivilprozessordnung aus dem Jahre 2011 hat der Gesetzgeber erstmals in der schweizerischen Rechtsgeschichte eine Alternative zur Prozessführung geschaffen: Bei sämtlichen Rechtsstreitigkeiten kann das Gericht den Parteien „eine Mediation empfehlen“. Leider machen die Gerichte von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch, kritisiert Vogel-Etienne. Sie ziehen es vor, hoch zerstrittene Parteien in stundenlangen Vergleichsverhandlungen weichzuklopfen, und behelfen sich mit dem Dogma, mit einem „guten“ gerichtlichen Vergleich müssten beide Parteien etwas unzufrieden sein. Wenn schon die Gerechtigkeit unerreichbar ist, wäre doch zumindest Zufriedenheit anzustreben.

Quelle: www.nzz.ch v. 28.4.2025

Bild: Mehaniq / shutterstock.com