100.000 € Schmerzensgeld nach Tod durch Hautkrebs
OLG Hamm 27.10.2015, 26 U 63/15Die 1954 geborene Patientin suchte im August 2009 die Gemeinschaftspraxis der beklagten Hautärzte aus Paderborn auf, um die Verfärbung eines Zehnnagels nach einer Stoßverletzung abklären zu lassen. Ein Nagelhämatom in Betracht ziehend veranlasste einer der Beklagten die Patientin, eine Nagelprobe einzureichen, die histologisch untersucht wurde. Nachdem die Untersuchung lediglich einen bakteriell infizierten Nagel ausgewiesen hatte und die Patientin hierüber von einem der Beklagten telefonisch in Kenntnis gesetzt worden war, unterblieb ihre weitere dermatologische Behandlung.
Nachdem sich die Verfärbung des Zehnnagels im folgenden Jahr nicht zurückgebildet hatte, suchte die Patientin erneut einen Hautarzt auf. Dieser äußerte den Verdacht einer Krebserkrankung, die sich bei weiteren Untersuchungen bestätigte. Nach dem Befall von Lunge und Lymphknoten mit Metastasen erlag die Patientin im Dezember 2013 den Folgen ihrer Krebserkrankung. In einem noch von der Patientin gegen die Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler begonnenen Prozess verlangt nunmehr ihr Ehemann Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld i.H.v. 100.000 €.
Das LG wies die Klag ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Beklagten haften dem Kläger als Mitglieder der von ihnen betriebene Gemeinschaftspraxis gesamtschuldnerisch für die Fehler, die anlässlich der dermatologischen Behandlung unterlaufen sind. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld.
Der die Patientin behandelnde Beklagte hat es versäumt, eine ausreichende histologische Untersuchung zum Ausschluss eines Melanoms sicherzustellen. Auch wenn die Patientin von einem Stoßereignis und damit einer naheliegenden Ursache für ein Hämatom berichtet hat, hätte der Beklagte mittels einer umfassenden Differenzialdiagnostik eine - ohne rechtzeitige Behandlung tödlich verlaufende - Hautkrebserkrankung sicher abklären müssen. Die vom Beklagten veranlasste histologische Untersuchung war unzureichend, weil sie nicht durch eine im Bereich des möglichen Melanoms entnommene Nagelprobe vorbereitet worden ist. Vielmehr hat es der Beklagte der Patientin überlassen, den Ort der Probe festzulegen und sie dort zu entnehmen. Darüber hinaus ist den Beklagten vorzuwerfen, der Patientin nach der telefonischen Übermittlung des histologischen Befundes nicht hinreichend deutlich gemacht zu haben, dass sie sich zur weiteren Befundung in der Praxis alsbald wiedervorstellen solle.
Das Fehlverhalten der Beklagten ist jedenfalls in der Gesamtheit als grob behandlungsfehlerhaft zu beurteilen und führt zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der zurechenbaren Folgen. Bei ordnungsgemäßer Befundung hätte das bei der Patientin zum Zeitpunkt ihrer Behandlung durch die Beklagten bereits vorhandene Melanom festgestellt werden müssen. Abgesehen von der auch in diesem Fall notwendigen Amputation des Zehengrundgliedes ist den Beklagten der sich weiter verschlechternde Gesundheitszustand der Klägerin und ihr durch die Krebserkrankung bedingter Tod zuzurechnen. nach einer Amputation hätte die Patientin dem Sachverständigen zufolge eine hypothetische Chance auf eine vollständige Heilung gehabt. Die den Beklagten zuzurechnenden Umstände rechtfertigen ein Schmerzensgeld i.H.v. 100.000 €.
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