19.06.2015

15.000 € Schmerzensgeld nach verzögerter Tumorbehandlung

Verzögert ein grober Befunderhebungsfehler die Behandlung eines Synovialsarkoms im Unterschenkel einer 23-jährigen Patientin, kann eine nach der Behandlung zurückbleibende dauerhafte Fuß- und Großzehenheberschwäche dem Behandlungsfehler zuzurechnen sein. In einem solchen Fall kann ein Schmerzensgeld von 15.000 € gerechtfertigt sein.

OLG Hamm 18.2.2015, 3 U 166/13
Der Sachverhalt:
Die im Jahre 1987 geborene Klägerin, seinerzeit Studentin der Tiermedizin, suchte in den Jahren 2009 und 2010 mehrfach den beklagten Orthopäden aus Steinfurt auf, weil sie u.a. Schmerzen im rechten Bein verspürte. Der Beklagte diagnostizierte einen Kiefergelenkschaden, einen Kopfschmerz, eine Fibulaköpfchenblockierung und ein HWS-Syndrom. Er veranlasste entsprechende Behandlungen, die die Beschwerden der Klägerin nicht beseitigen konnten.

Eine im Januar 2011 durchgeführte kernspintomografische Untersuchung ergab Anhaltspunkte für eine Tumorerkrankung, die sich nach ihrer operativen Versorgung im März 2011 als Synovialsarkom bestätigte. In der Folgezeit stellte sich bei der Klägerin eine dauerhafte Fuß- und Großzehenheberschwäche ein. Mit der Begründung, der Beklagte habe es versäumt, rechtzeitig bildgebende Befunde zu erheben, die eine frühere Behandlung des Tumors mit dann weniger schwerwiegenden Folgen ermöglicht hätten, verlangt die Klägerin Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld von 25.000 €.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4.000 €. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 €. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Klägerin steht aufgrund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung durch den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gem. §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.H.v. 15.000 € zu.

Die Klägerin ist vom Beklagten im März 2010 grob fehlerhaft behandelt worden. Der Beklagte hat es zu diesem Zeitpunkt versäumt, die Beschwerden der Klägerin durch bildgebende Verfahren weiter abzuklären. Der angehörte medizinische Sachverständige hat bestätigt, dass eine im März oder April 2010 durchgeführte Bildgebung einen behandlungsbedürftigen Tumorbefund ergeben hätte.

Der grobe Behandlungsfehler bewirkt eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin. Zu ihren Gunsten ist daher davon auszugehen, dass die vom Beklagten zu vertretene zeitliche Verzögerung bei der Behandlung des Synovialsarkoms auch die später eingetretenen Komplikationen der Fuß- und Großzehenheberschwäche bewirkt hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war der grobe Behandlungsfehler generell geeignet, diesen Gesundheitsschaden bei der Klägerin hervorzurufen. Die um rd. acht bis neun Monate verzögerte Behandlung und das Tumorwachstum in dieser Zeit haben die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung des Sarkoms verschlechtert. Den aufgrund der Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin anzunehmenden Kausalzusammenhang konnte der Beklagte nicht widerlegen.

Da die bei der Klägerin entstandene Fuß- und Großzehenheberschwäche bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen ist und die Klägerin mit diesen Einschränkungen ihrer Beweglichkeit dauerhaft leben muss, ist ein Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe gerechtfertigt.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 17.6.2015
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