Abfindungsklausel und Eindeutigkeitsgebot (I)
Kurzbesprechung
BFH v. 10.7.2019 - XI R 47/17
EStG § 6a
Streitig war, ob die in einer Pensionszusage gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG in der in den Streitjahren 2009 bis 2011 geltenden Fassung dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.
Der BFH entschied, dass die in der Pensionszusage gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.
Im Streitfall waren die bei der Besteuerung der GmbH maßgebenden gesetzlichen (formalrechtlichen) Vorgaben zum Ansatz von Pensionsrückstellungen zu den Versorgungszusagen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG, jeweils i.V.m. § 6a EStG) erfüllt. Die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel begründete auch keinen schädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Letztlich verstieß die Abfindungsklausel auch nicht gegen das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage schriftlich erteilt ist; die Pensionszusage muss eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten. Dabei sind auch Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende Ausscheidewahrscheinlichkeiten als biometrische Einflussgrößen) schriftlich festzulegen, sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist.
Wenn man auf dieser Grundlage davon ausgeht, dass im Streitfall für die steuerrechtliche Anerkennung der Pensionsrückstellungen die verbindliche Angabe der für die Berechnung der Kapitalabfindung anzuwendenden Sterbetafel erforderlich war, wurde diesem Erfordernis genügt. Denn der streitgegenständlichen Abfindungsklausel hatte das FG im angefochtenen Urteil im Wege der Auslegung die eindeutige Festlegung der Heubeck-Richttafel als anzuwendende Sterbetafel zur Ermittlung der Abfindungshöhe entnommen. Nach dem Wortlaut der Abfindungsklausel sind "Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages ... ein Rechnungszinsfuß von 6 von Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden ...". Die Vertragsparteien hatten damit --entsprechend dem Wortlaut des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG zur Berechnung (der Höhe) des Teilwerts der Pensionsverpflichtung-- "die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" zur Berechnung des Kapitalbetrags der Abfindung vereinbart.
Der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG verwendete Begriff "eindeutige Angabe(n)" lässt zwar offen, ob sich alle Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung (im Streitfall: die anzuwendende Sterbetafel) wörtlich aus der (schriftlichen, s. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG) Pensionszusage ergeben müssen oder ob es ausreicht, dass nach einer Auslegung des Wortlauts der Zusage keine Zweifel an diesen Maßgaben verbleiben. Pensionszusagen sind nach der zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. vor dem Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794) ergangenen Rechtsprechung des BFH anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG durch das StÄndG 2001 hat hieran nichts geändert, da es sich nur um eine gesetzliche Klarstellung dessen handelt, was schon vorher galt. Erforderlich ist damit, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, wobei allenfalls --wie nach allgemeinen Grundsätzen-- bei der Auslegung die Wortlautgrenze von ausdrücklich angeführten Regelungsinhalten zu beachten ist.
Die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspricht seit 1998 in langjähriger Verwaltungspraxis den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Die Anwendung anderer oder modifizierter Rechnungsgrundlagen wird von der Finanzverwaltung nur anerkannt, wenn die besonderen Voraussetzungen des BMF- Schreibens vom 09.12.2011 (BStBl I 2011, 1247) erfüllt sind. Berechnungen auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln, die üblicherweise auch in der Handelsbilanz herangezogen werden, können daher auch aufgrund der langjährig anerkennenden Verwaltungspraxis als entsprechend einer "Verkehrssitte" erfolgt anzusehen sein.
Indem das FG im angefochtenen Urteil als weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrund den Inhalt der Vereinbarung ausdrücklich --"aufgrund der Übernahme des Wortlauts des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG" und mit Blick darauf, dass die Steuerpflichtige bei der Bewertung ihrer Pensionsrückstellung seit dem erstmaligen Rückstellungsansatz auf die Heubeck-Richttafeln zurückgegriffen hat-- i.S. einer Festschreibung der Anwendung der Heubeck-Tafeln auslegt, ist der Inhalt der Vereinbarung ohne erkennbare Auslegungsfehler in der Weise bestimmt, dass zur Berechnung der Abfindung auf ebendiese Heubeck-Richttafel zurückzugreifen ist. Diese Lösung lässt es ohne weiteres zu, die im Abfindungszeitpunkt (bzw. zum letzten Stichtag der Pensionsrückstellung vor diesem Zeitpunkt) aktuell geltende Richttafel anzuwenden, was --ebenfalls bei konkreter Benennung der zum Zusagezeitpunkt geltenden Richttafel ohne eine "dynamische Verweisung"-- auch mit Blick auf die begrenzte betragsmäßige Auswirkung als für die steuerrechtliche Anerkennung unschädliche "Unsicherheit" zu qualifizieren ist.
BFH, Beschluss vom 10.7.2019, XI R 47/17, veröffentlicht am 4.10.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 6a
Streitig war, ob die in einer Pensionszusage gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG in der in den Streitjahren 2009 bis 2011 geltenden Fassung dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.
Der BFH entschied, dass die in der Pensionszusage gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.
Im Streitfall waren die bei der Besteuerung der GmbH maßgebenden gesetzlichen (formalrechtlichen) Vorgaben zum Ansatz von Pensionsrückstellungen zu den Versorgungszusagen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG, jeweils i.V.m. § 6a EStG) erfüllt. Die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel begründete auch keinen schädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Letztlich verstieß die Abfindungsklausel auch nicht gegen das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage schriftlich erteilt ist; die Pensionszusage muss eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten. Dabei sind auch Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende Ausscheidewahrscheinlichkeiten als biometrische Einflussgrößen) schriftlich festzulegen, sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist.
Wenn man auf dieser Grundlage davon ausgeht, dass im Streitfall für die steuerrechtliche Anerkennung der Pensionsrückstellungen die verbindliche Angabe der für die Berechnung der Kapitalabfindung anzuwendenden Sterbetafel erforderlich war, wurde diesem Erfordernis genügt. Denn der streitgegenständlichen Abfindungsklausel hatte das FG im angefochtenen Urteil im Wege der Auslegung die eindeutige Festlegung der Heubeck-Richttafel als anzuwendende Sterbetafel zur Ermittlung der Abfindungshöhe entnommen. Nach dem Wortlaut der Abfindungsklausel sind "Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages ... ein Rechnungszinsfuß von 6 von Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden ...". Die Vertragsparteien hatten damit --entsprechend dem Wortlaut des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG zur Berechnung (der Höhe) des Teilwerts der Pensionsverpflichtung-- "die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" zur Berechnung des Kapitalbetrags der Abfindung vereinbart.
Der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG verwendete Begriff "eindeutige Angabe(n)" lässt zwar offen, ob sich alle Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung (im Streitfall: die anzuwendende Sterbetafel) wörtlich aus der (schriftlichen, s. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG) Pensionszusage ergeben müssen oder ob es ausreicht, dass nach einer Auslegung des Wortlauts der Zusage keine Zweifel an diesen Maßgaben verbleiben. Pensionszusagen sind nach der zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. vor dem Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794) ergangenen Rechtsprechung des BFH anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG durch das StÄndG 2001 hat hieran nichts geändert, da es sich nur um eine gesetzliche Klarstellung dessen handelt, was schon vorher galt. Erforderlich ist damit, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, wobei allenfalls --wie nach allgemeinen Grundsätzen-- bei der Auslegung die Wortlautgrenze von ausdrücklich angeführten Regelungsinhalten zu beachten ist.
Die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspricht seit 1998 in langjähriger Verwaltungspraxis den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Die Anwendung anderer oder modifizierter Rechnungsgrundlagen wird von der Finanzverwaltung nur anerkannt, wenn die besonderen Voraussetzungen des BMF- Schreibens vom 09.12.2011 (BStBl I 2011, 1247) erfüllt sind. Berechnungen auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln, die üblicherweise auch in der Handelsbilanz herangezogen werden, können daher auch aufgrund der langjährig anerkennenden Verwaltungspraxis als entsprechend einer "Verkehrssitte" erfolgt anzusehen sein.
Indem das FG im angefochtenen Urteil als weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrund den Inhalt der Vereinbarung ausdrücklich --"aufgrund der Übernahme des Wortlauts des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG" und mit Blick darauf, dass die Steuerpflichtige bei der Bewertung ihrer Pensionsrückstellung seit dem erstmaligen Rückstellungsansatz auf die Heubeck-Richttafeln zurückgegriffen hat-- i.S. einer Festschreibung der Anwendung der Heubeck-Tafeln auslegt, ist der Inhalt der Vereinbarung ohne erkennbare Auslegungsfehler in der Weise bestimmt, dass zur Berechnung der Abfindung auf ebendiese Heubeck-Richttafel zurückzugreifen ist. Diese Lösung lässt es ohne weiteres zu, die im Abfindungszeitpunkt (bzw. zum letzten Stichtag der Pensionsrückstellung vor diesem Zeitpunkt) aktuell geltende Richttafel anzuwenden, was --ebenfalls bei konkreter Benennung der zum Zusagezeitpunkt geltenden Richttafel ohne eine "dynamische Verweisung"-- auch mit Blick auf die begrenzte betragsmäßige Auswirkung als für die steuerrechtliche Anerkennung unschädliche "Unsicherheit" zu qualifizieren ist.
BFH, Beschluss vom 10.7.2019, XI R 47/17, veröffentlicht am 4.10.2019.