18.07.2019

Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung bei einem bereits erwerbstätigen Kind

Haben volljährige Kinder bereits einen ersten Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlangt, setzt der Kindergeldanspruch aufgrund eines weiteren Ausbildungsgangs voraus, dass dieser noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist und die Ausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes bildet. Es reicht nicht aus, wenn lediglich eine berufsbegleitende Weiterbildung vorliegt, da dann bereits die Berufstätigkeit im Vordergrund steht und der weitere Ausbildungsgang nur neben dieser durchgeführt wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.2.2019 - III R 42/18 u. v. 21.3.2019 - III R 17/18

EStG § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 4 Satz 2, Satz 3

Im Streitfall III R 42/18 war die Klägerin Mutter einer im März 1991 geborenen Tochter. Die Tochter befand sich bis Juli 2013 in einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Von November 2013 bis Juli 2016 absolvierte sie einen berufsbegleitenden Angestelltenlehrgang II zur Verwaltungsfachwirtin. Daneben stand sie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei einer Stadtverwaltung. Die Familienkasse lehnte eine Weiterzahlung des Kindergelds ab August 2013 mit der Begründung ab, dass die Tochter bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen habe und während der Zweitausbildung einer zu umfangreichen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Das FG gab der Klage statt und sah den Angestelltenlehrgang II noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung an.

Dies sieht der BFH jedoch anders und gab der Revision der Familienkasse statt. Für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Zwar können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammen zu fassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn die nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf dienen. Der BFH widersprach der Verwaltungsauffassung, dass eine einheitliche Erstausbildung nur dann in Betracht komme, wenn sämtliche Ausbildungsmaßnahmen öffentlich-rechtlich geordnet sind.

In der Entscheidung III R 17/18 nahm die Tochter nach der Ausbildung zur Bankkauffrau ein berufsbegleitendes Studium zur Bankfachwirtin auf. Die von den Familienkassen vertretene restriktive Rechtsauffassung, nach der eine einheitliche Erstausbildung nur dann angenommen werden könne, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird, lehnt der BFH ab. Auch sieht er es nicht als schädlich an, dass der zweite Ausbildungsabschnitt eine Erwerbstätigkeit zur Abschlussvoraussetzung macht. Der BFH verwies den Streitfall an das FG zurück, da er auf der Grundlage der vom FG bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden konnte, ob die von der Tochter aufgenommene Arbeitstätigkeit als Bankkauffrau der Annahme einer Ausbildungseinheit zwischen der Ausbildung zur Bankkauffrau und dem Studium zur Bankfachwirtin Bankcolleg entgegensteht. Der BFH hob hervor, dass keine Bedenken dagegen bestehen, die sich danach ergebende Bewertung, ob die Erstausbildung bereits mit der Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen wurde, auch auf die vor Beginn des Studiums zur Bankfachwirtin liegende Übergangszeit zu erstrecken, sofern nicht besondere Umstände ersichtlich werden, die eine abweichende Beurteilung der Übergangszeit und des zweiten Ausbildungsabschnitts rechtfertigen.
Verlag Dr. Otto Schmidt