03.02.2017

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Insofern kann er wegen Besorgnis der Befangenheit auch dann abgelehnt werden, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung in einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat und wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren.

BGH 10.1.2017, VI ZB 31/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger behauptete, infolge einer Fehlkonstruktion der von der Beklagten hergestellten und ihm eingesetzten Hüftgelenkprothese - einer teilzementierten Oberflächenersatzprothese (Typ ASR) - sei es zu einem übermäßigen Metallabrieb gekommen, der zu einer Fehlstellung und schließlich zu einer Lockerung der Prothese geführt habe. Er verlangte gerichtlich von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz.

Das LG ordnete in erster Instanz die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu der Behauptung des Klägers an, die streitgegenständliche Prothese "sei aufgrund des erhöhten Metallabriebs fehlerhaft, die Lebensdauer einer üblichen Hüftendoprothese läge zwischen 15 und 20 Jahren". Die Beklagte lehnte den Sachverständigen allerdings wegen Besorgnis der Befangenheit ab und führte zur Begründung u.a. aus, der Sachverständige habe in einem gleichgelagerten anderen gegen die Beklagte geführten Rechtsstreit für den dortigen Kläger ein entgeltliches Privatgutachten über eine Prothese derselben Modellreihe erstellt.

Das Gesuch blieb vor dem LG erfolglos. Das galt auch für die Beschwerde der Beklagten vor dem OLG. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hat der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Die Gründe:
Das Ablehnungsgesuch wäre bei der mangels abweichender Feststellungen durch das OLG im Rechtsbeschwerdeverfahren zugunsten der Beklagten zu unterstellenden Gleichheit des in diesem Verfahren zu untersuchenden und des in dem Privatgutachten für einen anderen Patienten untersuchten Produkts begründet.

Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Hat der Sachverständige für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet, so wird die Frage einer daraus herleitbaren Besorgnis der Befangenheit unterschiedlich beurteilt. Die wohl überwiegende Meinung bejaht in diesen Fällen - teilweise unter der Voraussetzung, dass die Interessen des Dritten denen der ablehnenden Partei in gleicher Weise wie die der anderen Partei entgegengesetzt sind - einen Ablehnungsgrund. Nach anderer Ansicht soll eine solche Fallgestaltung für die Annahme eines Ablehnungsgrundes nicht ausreichen. Der Senat schließt sich allerdings der erstgenannten Meinung an.

Im vorliegenden Fall kann von einem gleichartigen Sachverhalt jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn es sich bei der von dem Sachverständigen. vormals privat begutachteten und der nunmehr zu begutachtenden ASR-Hüftgelenkprothese um das gleiche Produkt aus derselben Modellreihe handelt und die möglicherweise unterschiedlichen Arten der Befestigung den Fällen im Hinblick auf die Beweisfrage ihre Vergleichbarkeit nicht nehmen. Da die Parteien dies unterschiedlich sehen, wird das Beschwerdegericht hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollten diese ergeben, dass es sich um einen gleichartigen Sachverhalt handelt, so würde die damit begründete Besorgnis der Befangenheit nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht viele Sachverständige für das betroffene Sachgebiet zur Verfügung stehen und das Verhalten der Beklagten für den erhöhten Bedarf an Gutachten womöglich mitursächlich war.

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