17.08.2017

Abweichende Steuerfestsetzung bei außergewöhnlichen Belastungen

Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige sie geleistet hat. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach §163 AO kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil sich Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben.

Kurzbesprechung
BFH - Beschluss v. 12.7. 2017 - VI R 36/15

EStG § 33
AO § 163

Im Streitfall ging es um die Frage, ob dem Grunde und der Höhe nach unstreitig als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) abziehbare hohe Haus-Umbaukosten eines behinderten Steuerpflichtigen zwingend im Abflussjahr zu berücksichtigen sind. Da dies im Streitfall dazu führte, dass sich die Kosten nicht in vollem Umfang steuerlich auswirkten, beantragte der Steuerpflichtige die Verteilung der Aufwendungen aus sachlichen Billigkeitsgründen auf mehrere Jahre (§ 163 AO).

Die sah der BFH jedoch anders und entschied, dass bei der Entscheidung über eine sachliche Billigkeitsmaßnahme auf den Einzelfall abzustellen ist und sie atypischen Ausnahmefällen vorbehalten bleibt. Denn Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen.

Mit § 33 EStG ist beabsichtigt, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.

Im Bereich des § 33 EStG gilt das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG, wonach Aufwendungen grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen sind, in dem der Steuerpflichtige sie geleistet hat. Wirken sich außergewöhnliche Belastungen in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie geleistet werden, mangels eines hinreichenden Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus, sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den restlichen Betrag in einen anderen Veranlagungszeitraum zu übertragen oder ähnlich der Regelung in § 82b EStDV auf mehrere Veranlagungszeiträume zu verteilen. Auch gilt der Verlustrück und -vortrag nach § 10d EStG nur für Einkünfte, nicht aber für außergewöhnliche Belastungen oder Sonderausgaben. Ebenso fehlt eine § 7 EStG oder § 82b EStDV vergleichbare Regelung in § 33 EStG. Eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung des § 7 EStG, § 82b EStDV oder § 10d EStG nahelegen würde, liegt nach Auffassung des BFH nicht vor

Der Umstand, dass sich im Streitfall nicht der gesamte Betrag, den der Steuerpflichtige für den Umbau des Hauses aufgewendet hatte, auswirken konnte, weil den Ausgaben im Jahr ihrer Verausgabung ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte gegenüberstand, ist Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für das in § 11 Abs. 2 EStG normierte Abflussprinzip in Verbindung mit dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sowie dem Umstand, dass das Einkommensteuergesetz eine Verteilungsregel in andere Veranlagungszeiträume in einem solchen Fall nicht vorsieht.

Beraterhinweis: Der BFH sieht hierin kein den gesetzlichen Wertungen widersprechendes Ergebnis. Vielmehr ist die Steuerunerheblichkeit von den Gesamtbetrag der Einkünfte überschreitenden außergewöhnlichen Belastungen der einkommensteuerlichen Systematik, insbesondere der in § 2 EStG vorgegebenen Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, geschuldet und kann daher in der Regel eine hiervon abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen.

BFH, Beschluss vom 12.7. 2017 - VI R 36/15, veröffentlicht am 16.8.2017

Verlag Dr. Otto Schmidt