11.10.2019

Abzinsung von Verbindlichkeiten im Jahr 2010 noch verfassungsgemäß

Der BFH sieht die Verpflichtung, unverzinsliche Betriebsschulden mit 5,5 % abzuzinsen, für Wirtschaftsjahre bis einschließlich 2010 als verfassungsgemäß an. Eine nachträglich vereinbarte Verzinsung ist steuerlich nicht anzuerkennen.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.5.2019 - X R 19/17

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1


Die Steuerpflichtige erhielt im Jahr 2010 für ihren Gewerbebetrieb von einem Bekannten ein langfristiges und zunächst nicht zu verzinsendes Darlehen über ca. 250.000 €. Während einer Außenprüfung, in der es um eine bilanzielle Gewinnerhöhung aufgrund der fehlenden Verzinsung ging, legten die Vertragspartner eine ab dem 01.01.2012 beginnende Verzinsung von jährlich 2 % fest. Später hoben sie den ursprünglichen Darlehensvertrag auf und vereinbarten rückwirkend ab 2010 eine Darlehensgewährung zu 1 % Zins.

Das FG erkannte das Darlehen steuerlich dem Grunde nach an, ließ die nachträglich getroffenen Verzinsungsabreden jedoch bilanziell unberücksichtigt, so dass sich für das Streitjahr ein einkommen- und gewerbesteuerpflichtiger Abzinsungsgewinn ergab.

Die vom FG vertretene Rechtsauffassung teilt auch der BFH. Durch das Abzinsungsgebot für unverzinsliche Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG werde steuerlich berücksichtigt, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung weniger belaste als eine sofortige Leistungspflicht und mangels Gegenleistung für den Zahlungsaufschub nicht mit dem Nenn-, sondern dem geringeren Barwert zu passivieren sei. Zeitlich nach dem jeweiligen Bilanzstichtag getroffene Zinsabreden könnten - selbst wenn sie zivilrechtlich rückwirkend erfolgten - wegen des bilanzsteuerrechtlichen Stichtagsprinzips sowie des allgemeinen steuerlichen Rückwirkungsverbots erst für künftige Wirtschaftsjahre berücksichtigt werden.

Außerdem hält der BFH die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zumindest für das Streitjahr 2010 für verfassungsgemäß. Denn in diesem Jahr hatte sich das niedrigere Marktzinsniveau noch nicht derart strukturell verfestigt, dass es dem Gesetzgeber nicht noch zuzubilligen gewesen wäre, aus Vereinfachungsgründen an dem statischen Abzinsungssatz von 5,5 % festzuhalten. Der vergleichsweise heranzuziehende Zins am Fremdkapitalmarkt habe Ende des Jahres 2010 noch knapp unter 4 % gelegen.

Der BFH verwies den Rechtsstreit an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück. Denn das FG muss zu einem weiteren, von einem Schwager der Steuerpflichtigen gewährten Darlehen noch feststellen, ob dieses im Hinblick auf die Anforderungen an Angehörigenverträge überhaupt dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist.

BFH, Urteil vom 22.5.2019, X R 19/17, veröffentlicht am 10.10.2019.
 
Verlag Dr. Otto Schmidt