AfA beim Erwerb von Vertragsarztpraxen
KurzbesprechungEStG § 7 Abs. 1 Satz 3
Der BFH hatte über zwei Streitfälle zu befinden, in denen die Beteiligten Praxisübernahmeverträge geschlossen hatten, in denen es auch um die Überleitung der sog. Vertragsarztzulassungen vom Praxisveräußerer und Zulassungsinhaber auf die Praxiserwerber ging. Die Zulassung vermittelt ein höchstpersönliches, öffentlich-rechtliches Statusrecht, das dazu berechtigt, gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln und die Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Sie wird in zulassungsbeschränkten Gebieten in einem sog. Nachbesetzungsverfahren (§ 103 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - SGB V -) erteilt und kann vom Zulassungsinhaber nicht direkt an einen Erwerber veräußert werden. Gleichwohl enthalten Praxisübertragungsverträge häufig Regelungen zur Überleitung der Zulassung auf den Praxiserwerber und eine Verpflichtung zur Mitwirkung des Zulassungsinhabers im Nachbesetzungsverfahren.
Der BFH entschied, dass dann, wenn eine Vertragsarztpraxis samt der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis, insbesondere des Praxiswerts, als Chancenpaket erworben wird, der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten ist. Dies gilt dies auch, wenn eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis unter der Bedingung erwirbt, die Vertrags-arztzulassung des Einzelpraxisinhabers werde im Nachbesetzungsverfahren einem Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis erteilt.
Maßgebliches Indiz für einen beabsichtigten Erwerb der Praxis als Chancenpaket ist nach Auffassung des BFH, dass Veräußerer und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbaren. Der Umstand, dass die Gemeinschaftspraxis nicht beabsichtigt, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen, steht dem nicht entgegen. In einem solchen Fall (Streitfall VIII R 7/14) hat der BFH im Streitfall die AfA-Berechtigung auf den Praxiswert und die übrigen erworbenen Wirtschaftsgüter der Praxis bejaht.
In einem weiteren Fall (VIII R 56/14) kam der BFH dagegen zu einem gegenteiligen Ergebnis. Hier schloss der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem Neugesellschafter einer Gemeinschaftspraxis einen sog. Praxisübernahmevertrag. Dieser stand unter der Bedingung der erfolgreichen Überleitung der Vertragsarztzulassung auf den Erwerber. Der Verkäufer verpflichtete sich auch hier im Nachbesetzungsverfahren an der Überleitung der Zulassung auf den Erwerber mitzuwirken. Zudem verlegte er seine Vertragsarztpraxis für eine kurze Zeit an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Allerdings wurde er tatsächlich nicht für die Gemeinschaftspraxis tätig.
Der BFH verneinte die AfA-Berechtigung des Erwerbers in vollem Umfang, denn dieser hatte nur den wirtschaftlichen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertragsarztzulassung gekauft, da er weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse gehabt habe. Dieses Wirtschaftsgut ist nicht abschreibbar, weil es keinem Wertverzehr unterliegt. Denn der Inhaber kann eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie innehat, gleichbleibend in Anspruch nehmen. Außerdem kann er den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch eine Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten. Daher erschöpft sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsgutes des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit.