Alle am 5.9.2019 veröffentlichten Entscheidungen des BFH
BFH v. 10.4.2019 - XI R 11/17
EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK
1. Liegt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen ein Steuerpflichtiger im Auftrag des MDK Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten erstellt, eine Tätigkeit vor, die dem Anwendungsbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG unterfällt?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird:
a) Reicht es für die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG aus, dass dieser als Subunternehmer im Auftrag einer Einrichtung, die nach nationalem Recht als soziale Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG anerkannt ist, Leistungen erbringt?
b) Falls die Frage 2a) verneint wird: Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die pauschale Übernahme der Kosten einer anerkannten Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG durch die Kranken- und Pflegekassen ausreichend dafür, dass auch ein Subunternehmer dieser Einrichtung als eine anerkannte Einrichtung zu beurteilen ist?
c) Falls die Fragen 2a) und 2b) verneint werden: Darf der Mitgliedstaat die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter davon abhängig machen, dass der Steuerpflichtige einen Vertrag mit einem Träger der sozialen Sicherheit oder Sozialfürsorge tatsächlich abgeschlossen hat, oder reicht es für eine Anerkennung aus, dass nach nationalem Recht ein Vertrag abgeschlossen werden könnte?
BFH v. 27.2.2019 - I R 51/17
Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Ausbuchung sowie Teilwertabschreibung unbesicherter Forderungen aus Konzernlieferbeziehungen
1. Die fehlende Besicherung einer Forderung aus Lieferbeziehungen gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-China 1985).
2. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-China 1985) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Forderungsausbuchung oder -abschreibung (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 - I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261).
3. Einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG steht im Zusammenhang mit Tochtergesellschaften aus Drittstaaten das Unionsrecht nicht entgegen.
BFH v. 27.2.2019 - I R 81/17
Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf im Konzern begebenen Darlehensforderungen und bei Rückstellungsbildung wegen der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft
1. Die nicht ausreichende Besicherung eines Darlehens oder eines Regressanspruchs aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gehören grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich 2000).
2. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich 2000) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 - I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261).
3. Ob einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Bei der Korrektur von Gesellschafterforderungen aus Darlehen oder Bürgschaften sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers bzw. Bürgen auf der anderen Seite zu berücksichtigen.
BFH v. 11.4.2019 - III R 36/15
Keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags einer grundbesitzverwaltenden Kapitalgesellschaft bei Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen
Eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG scheidet aus, wenn eine grundbesitzverwaltende GmbH neben einem Hotelgebäude auch Ausstattungsgegenstände (Bierkellerkühlanlage, Kühlräume, Kühlmöbel für Theken- und Büfettanlagen) mitvermietet, die als Betriebsvorrichtungen zu qualifizieren sind.
BFH v. 22.5.2019 - VI R 11/17
Zusammenhang einer gepachteten Jagd mit einem ebenfalls gepachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einer Personengesellschaft
1. Die Einkünfte aus der Jagd stehen im Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Pachtbetrieb, wenn sich das gepachtete Jagdausübungsrecht auf die bewirtschafteten Pachtflächen erstreckt.
2. Bilden die Flächen eines land- und forstwirtschaftlichen Pachtbetriebs einen Eigenjagdbezirk und werden diesem durch Vertrag gestützt auf § 5 Abs. 1 BJagdG Flächen angegliedert, so ist der Zusammenhang der Jagd in dem vergrößerten gepachteten Eigenjagdbezirk mit dem land- und forstwirtschaftlichen Pachtbetrieb jedenfalls dann noch zu bejahen, wenn die Jagd überwiegend auf eigenbetrieblich genutzten Flächen ausgeübt wird.
3. Ist Inhaberin des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs eine Personengesellschaft, kann der erforderliche Zusammenhang der Einkünfte aus der Jagd mit dem Betrieb der Personengesellschaft regelmäßig nur gegeben sein, wenn das Jagdausübungsrecht einem Gesellschafter zusteht.
BFH v. 22.5.2019 - XI R 1/18
Steuerabzug von Drittlands-Unternehmern auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren nur bei Gegenseitigkeit
1. Die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltende Einschränkung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) zur Gegenseitigkeit findet gemäß § 15 Abs. 4b UStG unter den dort genannten Voraussetzungen auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung. Fehlt es in den dort genannten Fällen an der für eine Vorsteuer-Vergütung erforderlichen Gegenseitigkeit, ist auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren der Vorsteuerabzug des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers für sämtliche Eingangsleistungen ausgeschlossen.
2. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) und § 15 Abs. 4b UStG verstoßen weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht.