14.06.2018

Amtshaftung: Zu dem bei einem Feuerwehreinsatz zur Brandbekämpfung geltenden Haftungsmaßstab

Die Entscheidung der Feuerwehr, einen perfluoroctansulfathaltigen Schaum zu verwenden, um den Übergriff eines Feuers auf benachbarte Gebäude zu verhindern, kann - insbesondere wenn Schaumbestandteile in das Erdreich und das Grundwasser gelangen und umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung des Grundstücks notwendig werden - ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig sein. Würde für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen.

BGH 14.6.2018, III ZR 54/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Handelsunternehmens befanden. Am Abend des 8.2.2010 brach dort ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden.

Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Die beklagte Stadt gab der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des fluorhaltigen Schaums sowie den Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Sie hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Beklagten verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.

LG und OLG gaben der Klage dem Grunde nach statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters der Feuerwehr, den perfluoroctansulfathaltigen Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die benachbarte Lagerhalle zu verhindern, ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war und der Einsatzleiter dabei auch (einfach) fahrlässig handelte.

Ihm - und der Beklagten - kommt nicht das Haftungsprivileg i.S.v. § 680 BGB zugute. Im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 Abs. 1 BGB begründet grundsätzlich jeglicher Grad von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung. Dies gilt auch für die im Rahmen eines Noteinsatzes erfolgende öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr. Einer Absenkung des Haftungsmaßstabes bedarf es in solchen Fällen nicht.

Amtsträger, zu deren Pflicht die "berufsmäßige" Abwehr einer dringenden Gefahr gehört, sind typischerweise auf die hiermit verbundenen Noteinsätze vorbereitet. Sie sind hierfür ausgebildet und können auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen. Das Risiko eines Fehlverhaltens solcher professionellen Nothelfer ist deutlich geringer als bei zufällig hinzutretenden Personen. Die für die Amtspflichtverletzungen ihrer Amtsträger gem. Art. 34 S. 1 GG haftenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind zudem gegen die mit Feuerwehreinsätzen verbundenen finanziellen Risiken und Kosten besser abgesichert als der private Nothelfer.

Würde dagegen für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung ist mit den Grundsätzen der Amtshaftung weder vereinbar noch ist sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes kann auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfes der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden.

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BGH PM Nr. 105 vom 14.6.2018