Änderung der Schenkungsteuerfestsetzung für den Vorerwerb kein rückwirkendes Ereignis
KurzbesprechungAO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
ErbStG § 14 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3
Im Streitfall ging es um die Frage, ob die erstmalige oder geänderte Steuerfestsetzung für den Vorerwerb als rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen ist, das die Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb rechtfertigt. Der BFH hat hierzu zunächst darauf hingewiesen, dass der für den Vorerwerb ergangene Steuerbescheid für die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb keine Bindungswirkung etwa im Sinn eines Grundlagenbescheids entfaltet und daher die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht greift.
Darüber hinaus kommt in diesen Fällen aber auch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht zur Anwendung. Denn der Erlass oder die Änderung eines Schenkungsteuerbescheids für einen früheren Erwerb stellt im Hinblick auf die Besteuerung eines späteren Erwerbs kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S. dieser Vorschrift dar. Vielmehr ist die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb ein von der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb unabhängiger, selbständiger Besteuerungsvorgang.
Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass § 14 Abs. 1 ErbStG keine eigenständige Änderungsvorschrift ist. Die Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb hat keine materiell-rechtliche Bedeutung für die Besteuerung des späteren Erwerbs.
Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren, sondern mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten. Der richtige Wertansatz für die Vorerwerbe kann jedoch bei der Besteuerung des letzten Erwerbs nur berücksichtigt werden, wenn der Erlass oder die Änderung des Bescheids für den letzten Erwerb verfahrensrechtlich noch möglich ist. Die Änderung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ändert ohne Hinzutritt eines rückwirkenden Ereignisses für sich allein nicht den Wertansatz, der der Besteuerung des nachfolgenden Erwerbs zugrunde zu legen ist.
BFH, Urteil vom 12.7.2017, II R 45/15, veröffentlicht am 30.8.2017.