12.04.2018

Änderung einer individualvertraglich vereinbarten Vergütung durch Betriebsvereinbarung?

Eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen kann durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden.

BAG 11.4.2018, 4 AZR 119/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag verabredeten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im Dezember 1992 eine Reduzierung der Arbeitszeit. In der Vereinbarung heißt es wörtlich, die Vergütung betrage "monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto".

Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Demzufolge sollten in ihrem Anwendungsbereich "analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT vom 11.1.1961" gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten. Einen solchen Nachtrag unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im März 1993.

Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt "entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 € erhöht" werde und "alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages unverändert gültig" blieben. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte meint, eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob das BAG  das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten.

Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 vermochte diese Vereinbarung nicht abzuändern.

Ungeachtet der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung unterlag die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede bereits deshalb nicht der Abänderung durch eine kollektivrechtliche Regelung, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine AGB, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht handelte. Die vom LAG aufgeworfene Frage der - generellen - Betriebsvereinbarungsoffenheit von AGB in Arbeitsverträgen bedurfte deshalb keiner Entscheidung.

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BAG PM Nr. 18 vom 12.4.2018