08.10.2013

Ankaufsuntersuchung beim Pferdekauf: Anspruch auf Schadensersatz für Käufer gegen den vom Verkäufer beauftragten Tierarzt

Ein zwischen Verkäufer und Tierarzt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Kaufvertrages über ein Pferd geschlossener Vertrag über die Durchführung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung entfaltet Schutzwirkung für den Kaufinteressenten. Der Tierarzt haftet gegenüber dem Käufer für Fehler bei der Untersuchung, selbst wenn er mit dem Verkäufer insoweit einen Haftungsausschluss vereinbart hat. Der möglicherweise entgegenstehenden Auffassung des 12. Zivilsenats des OLG Hamm im Urteil vom 29.5.2013 (12 U 178/12) ist der 21. Zivilsenat nicht gefolgt.

OLG Hamm 5.9.2013, 21 U 143/12
Der Sachverhalt:
Im Juli 2010 erwarb die Klägerin von einem Pferdeverkäufer eine laut Kaufvertrag vier Jahre alte Schimmelstute als Reitpferd zum Kaufpreis von 2.700 €. Das angegebene Alter entsprach dem im Pferdepass aufgeführten Geburtsdatum des Tieres. Der Kaufvertrag sollte im Falle der erfolgreichen Durchführung einer Ankaufsuntersuchung durch die beklagte Tierarztpraxis wirksam werden.

Der Verkäufer beauftragte daraufhin die Beklagte mit der Ankaufsuntersuchung. Diese führte die Beklagte auf der Grundlage von Vertragsbedingungen durch, die Ansprüche der Käuferin gegen die Praxis ausschlossen. In dem über die Ankaufsuntersuchung erstellten Protokoll, das die Käuferin in der Folgezeit billigte, vermerkte der für die Beklagte tätige Tierarzt nicht, dass das Tier noch ein vollständiges Milchgebiss hatte und deshalb - entgegen den Angaben im Pferdepass - noch keine vier Jahre alt sein konnte.

Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass das gekaufte Pferd erst ca. 2,5 Jahre alt war, verlangte sie von der beklagten Tierarztpraxis Schadensersatz. Sie begründete dies mit ihren Aufwendungen für das Pferd bis zum Erreichen des vierten Lebensjahres. Zuvor habe das Tier, so ihre Begründung, einen Minderwert gehabt, weil sie es nicht als Reitpferd habe einsetzen können. In Kenntnis des tatsächlichen Alters hätte sie von dem Ankauf im Jahre 2010 abgesehen.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt und sprach der Klägerin rd. 4.500 € Schadensersatz zu.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (§ 328 BGB analog).

Der zwischen dem Verkäufer und der beklagten Tierarztpraxis im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Pferdekaufs abgeschlossene Vertrag über die Durchführung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung entfaltet eine Schutzwirkung für den Kaufinteressenten. Ihm gegenüber haftet die Tierarztpraxis für Fehler bei der Ankaufsuntersuchung. Diese Haftung kann im Vertrag zwischen dem Verkäufer und der Tierarztpraxis nicht ausgeschlossen werden. Eine Haftungsfreizeichnung nur zu Lasten der Käuferin - wie sie der vorliegende Vertrag enthaltet - ist unwirksam. Der dem möglicherweise entgegenstehenden Auffassung des 12. Zivilsenats des OLG Hamm (Urteil vom 29.5.2013, 12 U 178/12) folgt der 21. Zivilsenat nicht.

Bei der Untersuchung der Stute hat der für die Beklagte handelnde Tierarzt eine Pflicht verletzt, weil er die Käuferin auf die sich aus dem Milchgebiss ergebenden Zweifel an dem im Pferdepass angegebenen Geburtsdatum nicht hingewiesen hat. In Kenntnis des tatsächlichen Alters von gut zwei Jahren hätte die Klägerin das Pferd nicht erworben, so dass ihr die Beklagte den Schaden zu ersetzen hat, der ihr durch den Erwerb des Tieres aufgrund des fehlerhaften Befundes entstanden ist. Dieser setzt sich aus Unterbringungs-, Verpflegungs- und Behandlungskosten für die Stute i.H.v. insgesamt rd. 4.500 € zusammen. Die Kosten sind entstanden, bis das Pferd das Alter von vier Jahren erreicht hat.

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Die entsprechende Meldungen zum Urteil des 12. Zivilsenats:

Käufer haben keine Ansprüche gegen den vom Verkäufer beauftragten Tierarzt

 

OLG Hamm PM vom 4.10.2013