11.11.2011

Anklage muss nicht ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst sein

Für die Wirksamkeit der Anklage genügt es, wenn diese in ihren wesentlichen Teilen in deutscher Sprache abgefasst ist und den Verfahrensgegenstand ausreichend umgrenzt, sodass der Angeschuldigte den ihm gemachten Tatvorwurf erkennen kann. Wurden einschlägige Vertragstexte mit der Anklageschrift nur in englischer Sprache mitgeteilt, stellt dies deshalb nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen § 184 S. 1 GVG dar.

BGH 9.11.2011, 1 StR 302/11
Der Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des LG hatten die beiden Mitangeklagten B. und S. der Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) in den Jahren 2005 und 2006 mehrere Verträge über hochriskante Finanzgeschäfte vermittelt. Der Angeklagte H. förderte in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der KWL diese Geschäfte. So forderte er und erhielt dafür von B. und S. Anteile aus deren Provisionszahlungen in Millionenhöhe. Diese transferierte der H. überwiegend auf eigene Konten und verbrauchte sie. Die Finanzgeschäfte verschleierte er und offenbarte sie weder in der Bilanz der KWL noch gegenüber dem Aufsichtsrat. Seine hierdurch erlangten Einkünfte versteuerte er nicht.

Das LG hat den H. wegen Bestechlichkeit in drei Fällen, Untreue, Bilanzfälschung in drei Fällen und Steuerhinterziehung in vier Fällen zu vier Jahren und elf Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die beiden Mitangeklagten B. und S. wurden jeweils wegen Bestechung in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und vier Monaten bzw. von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Soweit den Angeklagten vorgeworfen worden war, zugleich mit den Korruptionsdelikten an Untreuetaten beteiligt gewesen zu sein, nahm das LG Verfahrenshindernisse an, weil die zugrundeliegenden Vertragstexte mit der Anklageschrift nur in englischer Sprache mitgeteilt worden seien und dies einen Verstoß gegen § 184 S. 1 GVG darstelle. Außerdem habe sich der staatsanwaltschaftliche Verfolgungswille nicht auf eine der beiden Taten erstreckt. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Generalstaatsanwaltschaft hob der BGH das Urteil im weiten Umfang auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Vorgehensweise des LG im Hinblick auf die Verfahrenshindernisse war rechtsfehlerhaft.

Für die Wirksamkeit der Anklage genügt es, wenn diese in ihren wesentlichen Teilen in deutscher Sprache abgefasst ist und den Verfahrensgegenstand ausreichend umgrenzt, sodass der Angeschuldigte den ihm gemachten Tatvorwurf erkennen kann. Diesen Anforderungen war die Anklage gerecht geworden. Infolgedessen hätte das LG die ihm zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalte auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Untreue des Angeklagten H. und ggf. hierzu geleisteter Beihilfe der Angeklagten B. und. S. befassen müssen. Im Falle einer Verurteilung müssen alle Rechtsfolgen, insbesondere auch für die Steuerhinterziehung, neu festgesetzt werden.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
PM Nr. 177 vom 9.11.2011
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