06.04.2018

Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist: Anwalt darf Stattgabe in der Regel erwarten

Ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen erheblichen Grund vorträgt. Demgemäß besteht keine Verpflichtung, sich innerhalb des Laufs der Berufungsbegründungsfrist beim Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben werde.

BGH 20.2.2018, VI ZB 47/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG gab der Klage teilweise statt. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigen am 26.5.2017 zugestellte Urteil legte der Beklagte zu 2) fristgerecht Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 28.7.2017. Mit Beschluss vom 14.9.2017 wies das OLG den Beklagten zu 2) darauf hin, dass seine Berufung nicht innerhalb der am 26.7.2017 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist. Der Beklagte zu 2) beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 20.9.2017 Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist.

Zur Begründung führte er aus, sein Prozessbevollmächtigter habe mit Schriftsatz vom 8.7.2017 "wegen Arbeitsüberlastung" die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.8.2017 beantragt. Dem Wiedereinsetzungsantrag waren beigefügt ein Doppel des Verlängerungsantrags vom 8.7.2017 und eine anwaltliche Versicherung seines Rechtsanwalts. Dieser bestätigt darin, den Verlängerungsantrag am 8.7.2017 wie in dem beigefügten Doppel gefertigt, selbst ausgedruckt, frankiert und in den nächsten Briefkasten - Briefschlitz für auswärtige Post - geworfen zu haben.

Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Ein Verlängerungsantrag sei nicht zu den Akten gelangt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) habe nicht auf die Bewilligung seines Fristverlängerungsantrags vertrauen dürfen. Er hätte sich spätestens am Tag des ursprünglichen Fristablaufs, also am 26.7.2017, über den Erfolg seines Antrags erkundigen müssen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2) hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat die Anforderungen an die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Erfolg eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist überspannt.

Nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Das ist jedoch nach ständiger BGH-Rechtsprechung bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO gestützt wird. Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes i.S.d. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf.

Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt regelmäßig vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen. Daher war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) vorliegend auch nicht verpflichtet sich innerhalb des Laufs der ursprünglichen Berufungsbegründungsfrist bei Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben wurde.

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