Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist
BGH 6.12.2017, XII ZB 107/17Der Antragsteller wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde. Das AG hat mit einem dem Antragsteller am 11.10.2016 zugestellten Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen und den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller am 11.11.2016 Beschwerde ein. Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist verwarf das KG die Beschwerde mit Beschluss vom 27.1.2017.
Mit einem am 16.2.2017 beim KG eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragte der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist und begründete seine Beschwerde. Über diesen Wiedereinsetzungsantrag hat das KG bisher nicht entschieden.
Auf die gegen den dem Antragsteller am 2.2.2017 zugestellten Verwerfungsbeschluss gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragstellers hob der BGH den Beschluss des KG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das KG hat den Antragsteller vor seiner Entscheidung nicht auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und die Absicht des Gerichts, die Beschwerde zu verwerfen, hingewiesen und damit das Verfahrensrecht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Verfahrensbeteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Das KG hat dem Antragsteller hier vor seiner Entscheidung den erforderlichen Hinweis nicht erteilt. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers haben erst mit der Zustellung des nunmehr angegriffenen Beschlusses vom Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erfahren.
Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschluss des KG nicht auf diesem ausdrücklich gerügten Verfahrensfehler des KG beruht oder sich die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 577 Abs. 3 ZPO), ist die Rechtsbeschwerde begründet. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das KG, das zunächst über das Wiedereinsetzungsgesuch zu befinden haben wird. Gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 237 ZPO entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht. Bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist dies das Beschwerdegericht. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über den Wiedereinsetzungsantrag nach Beendigung der betreffenden Instanz zu entscheiden ist.
Aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit ist das Rechtsbeschwerdegericht nur dann ausnahmsweise befugt, über den für die Beschwerdeinstanz gestellten Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne weiteres zu gewähren ist. Gleiches gilt, wenn die Vorinstanz verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung unterlassen oder das Rechtsmittel verworfen und zugleich den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt hat. Schließlich kann das Rechtsmittelgericht dann selbst über ein Wiedereinsetzungsgesuch entscheiden, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt, weil dann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden kann. Die Voraussetzungen für eine dieser Ausnahmen sind vorliegend aber nicht gegeben.
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