24.08.2018

Anwendung der 1 %-Regelung in Fällen, in denen die hiernach ermittelte Nutzungsentnahme 50 % der Gesamtaufwendungen für das Kfz übersteigt

Auch wenn die Anwendung der 1 %-Regelung seit 2006 voraussetzt, dass das Kfz zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die nach der 1 %-Regelung ermittelte Nutzungsentnahme auf 50 % der Gesamtaufwendungen für das Kfz zu begrenzen.

Kurzbesprechung
BFH v. 15.5.2018 - X R 28/15

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4

Im Streitfall hielt der Steuerpflichtige im Streitjahr 2009 einen im Jahr 2006 gebraucht erworbenen PKW vom Typ BMW 530d (Listenpreis einschließlich Umsatzsteuer 64.000 €) im Betriebsvermögen, den er auch privat nutzte. Die Gesamtkosten des PKW im Streitjahr ermittelte er mit 10.998,40 €. Ca. 50 % dieser Kosten (5.498,59 €) setzte er für die private Nutzung des PKW an. Ein Fahrtenbuch führte er nicht.

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung berechnete das FA den Wert für diese Nutzungsentnahme nach der 1 %-Regelung mit 7.680 € (1 % x 64.000 € x 12 Monate). 80 % dieser Nutzungsentnahme unterwarf das FA der Umsatzbesteuerung und sah die Umsatzsteuer als nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar an.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verfolgte der Steuerpflichtige im Klageverfahren sein Begehren weiter, den Wert der Nutzungsentnahme auf maximal 50 % der Gesamtkosten im Streitjahr zu begrenzen.

Das Klagebegehren hatte weder vor dem FG noch vor dem BFH Erfolg. Der BFH entschied, dass die private Nutzungsentnahme des vom Steuerpflichtigen betrieblich und privat genutzten Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln ist. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch ist eine Begrenzung der so berechneten Nutzungsentnahme auf 50 % der im (jeweiligen) Streitjahr angefallenen Gesamtaufwendungen verfassungsrechtlich nicht geboten.

Da der Steuerpflichtige im Streitfall unstreitig das Kfz zu mehr als 50% betrieblich genutzt und kein Fahrtenbuch geführt hat, war das FA zutreffend von der Anwendung der 1 %-Regelung ausgegangen. Die Anknüpfung der 1 %-Regelung an den Listenpreis stellt eine typisierend-pauschalierende Regelung dar, die sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bewegt. Es handelt sich um einen sachgerechten Maßstab. Der Ansatz des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, die Bewertung der privaten Nutzungsentnahme anhand der 1 %-Regelung ausgehend vom Listenpreis vorzunehmen, entspricht dem Erfordernis, die Entnahmen des Steuerpflichtigen für die private Lebensführung nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem Steuerpflichtigen zukommt. Soweit die 1 %-Regelung zum Tragen kommt, will (gerade) der Bezug zum inländischen Listenpreis sicherstellen, dass alle Vorteile, die mit dem Zurverfügungstellen des Fahrzeugs für den Steuerpflichtigen verbunden sind, umfasst werden (folglich auch Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur- und Wartungskosten, Treibstoffkosten).

Die so vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenpreises bezweckt also nicht die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Sie will vielmehr an den tatsächlichen geldwerten Vorteil anknüpfen. Dabei handelt es sich um den Betrag, der vom Steuerpflichtigen für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs erspart. Grundlage der Bewertung des Nutzungsvorteils sind statistische Erhebungen, in welche die durchschnittlichen Gesamtkosten aller auch privat genutzten betrieblichen Fahrzeuge eingegangen sind. Der BFH teilt deshalb nicht die vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der 1 %-Regelung, soweit sie sich gegen die Höhe des Listenpreises als Anknüpfungsmaßstab der Besteuerung richten. Die mit ihr vorgenommene Typisierung überschreitet nicht die grenze des Zulässigen.

Auch ist die Höhe der Nutzungsentnahme nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen auf 50 % der Gesamtkosten zu begrenzen. Der Steuerpflichtige hatte seit jeher die Möglichkeit, ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu führen und hiermit den tatsächlichen Sachverhalt nachzuweisen. Dies verhindert eine Übermaßbesteuerung des Steuerpflichtigen. Eine teleologische Reduzierung des Wortlautes durch Deckelung der Nutzungsentnahme auf die Gesamtkosten war deshalb nicht geboten. Das gilt unabhängig davon, dass die Finanzverwaltung im Wege der Billigkeit eine Deckelung auf 100 % der Gesamtkosten vornimmt.

Denn es war gerade Ziel und Zweck der 1 %-Regelung, anders als sonst bei der Besteuerung der privaten Nutzungsentnahmen, nicht an den Aufwand des Steuerpflichtigen, sondern an seinen Vorteil anzuknüpfen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen von der Regelbewertung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG abweichenden Maßstab bestehen nicht. Privat genutzte PKW im Betriebsvermögen spielen im Wirtschaftsleben eine Sonderrolle. Knüpft aber die gesetzliche Regelung ausdrücklich und verfassungsrechtlich zulässig an Werte an, die gerade nicht dem Aufwand entsprechen, so ist es auch folgerichtig, keine aufwandsbezogene Begrenzung vorzunehmen. Diese Aspekte schließen in gleicher Weise Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der seit 2006 geltenden Besteuerung aus.

BFH, Urteil vom 15.5.2018, X R 28/15, veröffentlicht am 20.8.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt